Wir hatten im Juli bereits über einen Fall berichtet, der gerade vor dem EuGH verhandelt wird und erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht haben kann.
Der Fall
Der Kläger (Herr King – der Fall spielt in England) war 13 Jahre lang als Verkäufer auf Provisionsbasis in einem elbständigen Dienstverhältnis tätig.
Als Herr King in Rente ging, stellten die englischen Arbeitsgerichte fest, dass er tatsächlich nicht als Selbständiger sondern als Arbeitnehmer einzustufen war. Nunmehr verlangte er die Auszahlung seines Urlaubes – Sie werden es kaum glauben – für 13 Jahre rückwirkend.
Die Britischen Arbeitsgerichte legten diesen Fall dem EuGH vor (EuGH, Schlussanträge v. 08.06.2017 – C-214/16). Wir hatten im Juli bereits darauf hingewiesen, dass der Generalanwalt beim EuGH, in seinen Schlussanträgen ausgeführt hatte, dass Herrn King nach seiner Auffassung die Auszahlung des Urlaubs für 13 (!) Jahre zustehe.
Die Entscheidung
Dieser Meinung hat sich nun der EuGH angeschlossen und zu Gunsten von Herrn King entschieden (Urteil des EuGH vom 29.11.2017, Az.: C 214/16). Nach Auffassung des EuGH hätte der Arbeitgeber Herrn King die Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Urlaub ermöglichen müssen. Da er dies über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht getan hat und das Arbeitsverhältnis nunmehr beendet sei, so dass der Urlaub nicht mehr genommen werden kann, müsse er ausgezahlt werden.
Praxistipp
Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auch in Deutschland. Da die Sachlage ohne weiteres übertragen werden kann, steigen die Risiken, wenn sie jemanden als Selbständigen beschäftigen und später festgestellt wird, dass es sich doch um ein Arbeitsverhältnis handelt.
Nicht nur müssen Sie dann beide Beiträge der Sozialversicherungen ggf. für das gesamte Vertragsverhältnis nachzahlen (40 % der Vergütung pro Monat) und bekommen hier regelmäßig nichts vom Arbeitnehmer zurück; sie müssten auch den Urlaub für das gesamte Arbeitsverhältnis auszahlen bzw. nachgewähren.
Hinzu kommt, dass dem EuGH derzeit zwei Fälle aus Deutschland vorliegen, in denen die Arbeitnehmer den Urlaub im abgelaufenen Jahr nicht genommen haben (keine Krankheit oder sonstige Hinderungsgründe) und nun dennoch die Meinung vertreten, dass ihnen der Urlaub aus dem abgelaufenen Jahr weiter zustehe. Die Landesarbeitsgerichte München sowie Berlin-Brandenburg haben beide die Meinung des Arbeitnehmers geteilt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Nach der o.g. Entscheidung im Fall King spricht nun einiges dafür, dass der EuGH auch in den beiden deutschen Fällen zugunsten der Arbeitnehmer entscheidet. Dies würde dann dazu führen, dass Sie in Ihren Betrieben die Urlaubsgewährung komplett umstellen müssten. Sie müssten dann als Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer ihren Urlaub auch tatsächlich nehmen. Tun Sie dies nicht, so wird der Urlaubsanspruch ins nächste Jahr übertragen.
Wir halten Sie auf dem Laufenden!
Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg