Mit dem heutigen Beitrag starten wir in den Themenmonat „ Anfechtung im Arbeitsverhältnis“. Neben möglichen Gründen für eine Anfechtung des Arbeitsvertrages aus Arbeitgebersicht wollen wir uns unter anderem auch mit den sehr praxisrelevanten Fragen der Anfechtung der Kündigungserklärung und des Aufhebungsvertrages befassen.

Was ist eine Anfechtung?

Zunächst ist zu klären, was genau unter dem Begriff der „Anfechtung“ zu verstehen ist. Durch die Anfechtung einer Willenserklärung gem. § 142 BGB wird diese rückwirkend, also bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe vernichtet.
Die empfangenen Leistungen sind danach nach den Regeln des Bereicherungsrechts zurückzugewähren. Eine Willenserklärung kann beispielsweise wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden. In der Praxis kommt die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses meistens dann in Betracht, wenn der Mitarbeiter den Arbeitgeber hinsichtlich seiner Qualifikationen (beispielsweise durch Fälschung von Zeugnissen, Bewerbungsunterlagen o.ä.) getäuscht hat.

Kann ein Arbeitsvertrag einfach angefochten werden?

Ja. Die zum Abschluss des Arbeitsvertrages abgegebene Willenserklärung jeder Partei kann unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Die Anfechtung wird insbesondere nicht durch die Kündigungsregeln verdrängt. Bei Kündigung und Anfechtung handelt es sich nämlich um unterschiedliche Gestaltungsrechte. Sie können deshalb auch nebeneinander erfolgen.
Tipp: Nach herrschender Meinung muss der Betriebsrat im Rahmen einer Anfechtung nicht gem. § 102 BetrVG angehört werden. Anders als bei der Kündigung ist nämlich hier kein zukunftsbezogener Kündigungsgrund erforderlich.

Die Anfechtung setzt grundsätzlich das Bestehen eines Anfechtungsgrundes sowie eine entsprechende Anfechtungserklärung innerhalb der jeweiligen Frist voraus.
Die Anfechtung wegen Irrtums oder falscher Übermittlung muss ohne schuldhaftes Zögern, d. h. unverzüglich, nachdem der Arbeitgeber von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 121 Abs. 1 BGB), erfolgen. Das BAG wendet auf die Anfechtungsfrist im Arbeitsverhältnis die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB entsprechend an (BAG vom 21.02.1991 – 2 AZR 449/90).

Im Falle einer Bedrohungs- oder Täuschungsanfechtung bestimmt § 124 BGB eine Anfechtungsfrist von einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt bzw., im Falle der Drohung, in welchem die Zwangslage aufgehört hat. Die Einjahresfrist gilt nach der Rechtsprechung des BAG (19.05.1983 – 2 AZR 171/81) auch dann, wenn der Anfechtungsgrund ebenso eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB begründen könnte.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist jedoch bei der Anfechtung im Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Rechtsfolge zu differenzieren:
Erbrachte Arbeitsleistungen können bekanntlich nur schwer zurückerstattet werden, sodass im Arbeitsrecht hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Anfechtung danach unterschieden werden muss, ob das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden ist, ob also bereits ein Austausch der Leistungen stattgefunden hat.
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber erschienen ist, seinen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen und die zugewiesene Tätigkeit aufgenommen hat. Es soll mitunter sogar bereits der Erhalt von Informationen über die künftige Tätigkeit ausreichen.

Ist das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden, entfaltet eine etwaige Anfechtung also nur Wirkung für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit. Die erbrachten Leistungen sind deshalb so abzuwickeln, als sei das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit gültig gewesen, die Rede ist dann oft von einem sog. „faktischen Arbeitsverhältnis“.

Jede Vertragspartei kann sich dann nur für die Zukunft einseitig vom Vertrag lösen. Ist das Arbeitsverhältnis hingegen im Zeitpunkt der Anfechtung noch nicht in Vollzug gesetzt, gilt die gesetzl. Regelung des § 142 BGB ohne Modifikation. Der Vertrag ist dann von Anfang an als nichtig zu betrachten.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg