Wir hatten zuletzt mehrfach über die Problematik des Verfalls von Urlaub und die diesbezüglich nach neuerer Rechtsprechung bestehende arbeitgeberseitige Hinweisobliegenheit berichtet.

In diesem Zusammenhang hatte das BAG nunmehr darüber zu entscheiden, ob Urlaub, der mangels arbeitgeberseitiger Erfüllung der Hinweisobliegenheit nicht verfallen konnte, denn zumindest der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB unterliegt.

Der rechtliche Hintergrund

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat der Neunte Senat des BAG verschiedentlich unionsrechtskonform ausgelegt.

Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) hat das BAG ausgeurteilt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor aufgefordert hat, seinen konkret bezifferten, restlichen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Fall

Die Klägerin war über viele Jahre hinweg beim Beklagten beschäftigt und hatte im Kalenderjahr Anspruch auf 24 Arbeitstage Erholungsurlaub. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31.07.2017.

Mit Schreiben vom 01.03.2012 bescheinigte der Beklagte der Klägerin, dass der „Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren“ am 31.03.2012 nicht verfalle, weil sie ihren Urlaub wegen hohen Arbeitsaufwandes nicht habe antreten können.

In den Jahren 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin an insgesamt 95 Arbeitstagen Urlaub.
Mit der am 06.02.2018 erhobenen Klage hat die Klägerin u.a. die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren verlangt.

Im Verlauf des Prozesses hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat geltend gemacht, für die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung die Klägerin verlange, sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen.

Das LAG Düsseldorf ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat der Klage insofern stattgegeben. Es hat den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2016 verurteilt. Das LAG Düsseldorf hat hierbei festgestellt, dass der Urlaubsanspruch des Vorjahres bei Nichterfüllung der Mitwirkungsobliegenheit durch den Arbeitgeber jeweils zu dem Urlaubsanspruch hinzutrete, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.

Der Arbeitgeber könne das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren nur dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.

Die Entscheidung des BAG

Die Urlaubsansprüche konnten nach Auffassung des BAG jedenfalls nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlösche der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert habe, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen habe, dass dieser andernfalls verfallen kann. Diese Obliegenheiten habe der Beklagte nicht erfüllt.

Für den Neunten Senat des BAG ist es somit entscheidungserheblich, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren.

Vor diesem Hintergrund hat das BAG mit Beschluss vom 29. September 2020 (9 AZR 266/20 (A)) den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.

Das Wichtigste

Die Rechtsfrage der Verjährung von Urlaubsansprüchen, die wegen Nichterfüllung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungsobliegenheit nicht verfallen konnten, bleibt somit einstweilen ungeklärt.

Praxistipps

Vorsichtigen Arbeitgebern sei deshalb dringend geraten, die von der neuen Rechtsprechung entwickelten Hinweispflichten ernst zu nehmen und nachweisbar zu erfüllen.

Da sich das aktuelle Urlaubsjahr langsam dem Ende zuneigt, sei Arbeitgebern dringend empfohlen, ihren Arbeitnehmern nachweislich in Text- oder Schriftform die konkret noch offenen Resturlaubsansprüche für das Jahr 2020 mitzuteilen und diese Arbeitnehmer aufzufordern, ihren Resturlaub noch im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen, da die Urlaubsansprüche ansonsten verfallen.

Auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona Pandemie sei es Arbeitgebern dringend angeraten, Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2020 (oder gar noch aus Vorjahren) abzubauen und nicht ins Jahr 2021 zu übertragen. Ansonsten könnte eine – etwaig notwendig werdende – Einführung von Kurzarbeit erheblich verzögert bzw. erschwert werden, da zunächst vorrangig übertragene Resturlaubsansprüche abgebaut werden müssten.

Grundsätzlich ist bei der Formulierung von Arbeitsverträgen stets auf eine Differenzierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub zu achten. In diesem Zusammenhang sollte beispielsweise der Verfall des vertraglichen Mehrurlaubes abweichend vom gesetzlichen Mindesturlaub geregelt werden.

Bei Fragen und Anmerkungen stehen wir gerne zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg