Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden – soweit so klar.

Was aber ist, wenn der Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist enthält, die deutlich länger ist? Was gilt dann, die gesetzliche Kündigungsfrist (2 Wochen – § 622 Abs. 3 BGB) oder die längere vertragliche Kündigungsfrist? Mit so einem Fall hatte sich das Landesarbeitsgericht Thüringen zu beschäftigen (Urt. v. 06.12.2022, Az.: 1 Sa 300/21).

Der Fall

Die Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber seit 07.09.2020 als Personalleiterin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:

„§ 1 (2) Die Probezeit beträgt 6 Monate.

§ 12 Vertragsdauer und Kündigung

(1) Der Vertrag beginnt am 07.09.2020 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

(2) Der Vertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres gekündigt werden.“

Mit Schreiben vom 02.03.2021 kündigte die Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Probezeit zum 16.03.2021.

Die Arbeitnehmerin erhob Klage zum Arbeitsgericht Suhl und wehrte sich insbesondere gegen die aus ihrer Sicht zu kurze Kündigungsfrist.

Die Entscheidung

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage noch abgewiesen und zu Gunsten des Arbeitgebers entschieden hatte, hob das LAG Thüringen auf die Berufung der Arbeitnehmerin hin das Urteil des Arbeitsgerichtes auf, gab der Arbeitnehmerin in vollem Umfang Recht und entschied, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist erst zum 31.12.2021 beendet werden könne. Dies führt im Übrigen dann dazu, dass der Arbeitgeber die gesamte Zeit vom 17.03.2021 bis zum 31.12.2021 vergüten musste.

Wie begründete das LAG seine Entscheidung?

Zunächst stellte das Gericht darauf ab, dass es sich bei den vorliegenden arbeitsvertraglichen Regelungen um allgemeine Geschäftsbedingungen handelte.

Da die beiden Regelungen – zum einen die Vereinbarung einer Probezeit (und daher eine zweiwöchige Kündigungsfrist) und zum anderen die Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahreshalbjahr widersprüchlich seien und nicht zu erkennen sei, was die Parteien hier vereinbaren wollten, greife – so das LAG weiter – die sogenannten Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB.

In § 305 c Abs. 2 BGB ist geregelt, dass bestehende Unklarheiten bei der Vertragsauslegung im Zweifel zu Lasten des Verwenders gehen. Der Verwender ist der, der die Vertragsbedingungen der anderen Seite vorgelegt hat, hier also der Arbeitgeber.

Somit wird von den zwei möglichen Regelungen die für den Arbeitgeber ungünstigere (bzw. die für den. Arbeitnehmer günstigere) Regelung genommen.

Also ist hier aus Sicht des LAG die längere Kündigungsfrist zum 31.12.2021 anzuwenden.

Praxistipp

Ein für den betroffenen Arbeitgeber bitteres, aber vorhersehbares Ergebnis.

Da Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die arbeitsvertraglichen Bestimmungen weitgehend selbst zu gestalten, sollte auch immer darauf geachtet werden, dass die Regelungen eindeutig sind.

Hätte man hier geschrieben, dass die Kündigungsfrist „nach Ablauf der Probezeit“ 6 Monate zum Kalenderhalbjahr beträgt, so wäre alles klar gewesen.

Sie sehen, auch bei Kündigungen während der ersten 6 Monate kann es zu erheblichen Problemen kommen.