Wir hatten Ihnen bereits am 19.09.2019 berichtet, dass das Bundesministerium für Wirtschaft einen Referentenentwurf für ein Drittes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) vorgelegt hatte, welcher u.a. die für die Personalpraxis bedeutsame Einführung einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorsah.
https://www.xing.com/communities/posts/arbeitsrecht-fuer-arbeitgeber-1017271069
Unter dem vor bezeichneten Link finden Sie eine ausführliche Darstellung der Hintergründe dieses Gesetzesentwurfes.

Zwischenzeitlich ist das Gesetzgebungsverfahren weit fortgeschritten. Zwei Wochen nach dem Bundestag stimmte am 08.11.2019 auch der Bundesrat dem BEG III zu. Zukünftig löst bei gesetzlich Versicherten eine elektronische AU-Bescheinigung somit den bisherigen Krankenschein aus Papier ab. In diesem Zuge werden künftig die Krankenkassen den Arbeitgeber auf Abruf elektronisch über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit der gesetzlich versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer informieren.

Wo wird das geregelt?

Kernstück der Gesetzesänderung ist die Neufassung des § 109 Abs. 1 SGB IV. Die Krankenkasse hat danach eine Meldung zum elektronischen Abruf durch den Arbeitgeber zu erstellen, wenn sie die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (Name des Beschäftigten, Beginn und Ende der AU, das Datum der ärztlichen Feststellung der AU und Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung) beinhaltet.

Ab wann gilt das?
Entgegen dem ursprünglichen Referentenentwurf, der ein Inkrafttreten bereits zum 01.01.2021 vorsah, wurde die Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung um ein Jahr auf den 01.01.2022 verschoben. Hierdurch will der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Verfahren mit ausreichender Vorlaufzeit organisatorisch wie technisch in den Unternehmen implementiert werden kann.
Was hat sich im Gesetzgebungsverfahren noch geändert?
Der Arbeitgeber kann auch einen Dritten (zum Beispiel Steuerberater oder Rechenzentren) mit dem Abruf der Daten beauftragen. Dieser Dritte hat die AU-Meldungen unverzüglich an den Arbeitgeber weiterzuleiten, da die grundsätzlichen Pflichten des Arbeitgebers durch diese Regelung nicht berührt werden.

Was ist weiterhin zu beachten?

Unabhängig von den jetzigen Änderungen zur AU-Bescheinigung, ist es aus Arbeitgebersicht weiterhin notwendig, klare und eindeutige Regelungen zu Anzeige- und Nachweispflichten der Arbeitnehmer bei Krankheiten in Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen aufzunehmen.

Neuer Gesetzeswortlaut

Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens kam es noch zu einigen Änderungen in der Neuformulierung des § 109 SGB IV und des § 5 EFZG. Diese lauten zukünftig wie folgt:
§ 109 SGB IV
Meldung der Arbeitsunfähigkeits- und Vorerkrankungszeiten an den Arbeitgeber
(1) Die Krankenkasse hat nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbesondere die folgenden Daten enthält:
1. den Namen des Beschäftigten,
2. den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
3. das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und
4. die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung.
In den Fällen, in denen die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches für einen geringfügig beschäftigten Versicherten erhält, hat sie die Daten nach Satz 1 am Tag des Eingangs für die zuständige Einzugsstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Abruf bereitzustellen. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See hat nach Anforderung durch den Arbeitgeber diese Daten für den Arbeitgeber bei der zuständigen Krankenkasse abzurufen und unverzüglich an den Arbeitgeber weiterzuleiten. Beauftragt der Arbeitgeber einen Dritten mit dem Abruf, darf dieser die Daten verarbeiten. Unberührt bleibt die Verpflichtung des behandelnden Arztes, dem Versicherten eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nach § 73 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9 des Fünften Buches in Verbindung mit § 5 Absatz 1a Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes auszuhändigen.
(2) Stellt die Krankenkasse auf Grundlage der Angaben zur Diagnose in den Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches und auf Grundlage von weiteren ihr vorliegenden Daten fest, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten für einen Arbeitgeber ausläuft, so übermittelt sie dem betroffenen Arbeitgeber eine Meldung mit den Angaben über die für ihn relevanten Vorerkrankungszeiten. Satz 1 gilt nicht für geringfügig Beschäftigte.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beschäftigte nach den §§ 8a und 12.
(4) Das Nähere zu den Datensätzen und zum Verfahren regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Grundsätzen. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vor der Genehmigung anzuhören.
Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG)
Nach § 5 Absatz 1 EFZG , wird folgender Absatz 1a eingefügt:
(1a) Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt nicht für Arbeitnehmer, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Diese sind verpflichtet, zu den in Absatz 1 Satz 2 bis 4 genannten Zeitpunkten das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 aushändigen zu lassen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht
1. für Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben (§ 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), und
2. in Fällen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.
Haben Sie Beratungsbedarf zur Arbeitsunfähigkeit, zur Entgeltfortzahlung oder zu einem anderen Thema aus dem Arbeitsrecht Hamburg, so kommen Sie gerne auf uns zu (jb@scharf-und-wolter.de).