Wird eine Kündigung auf das Fehlverhalten eines Arbeitnehmers gestützt, so muss der Arbeitgeber alle Tatsachen, die dem konkreten Fehlverhalten zugrunde liegen in vollem Umfang beweisen.
Da das regelmäßig sehr schwierig ist und es dann oft bei einem dringenden Verdacht bleibt, sich aber der konkrete Verstoß nicht beweisen lässt, hat die Rechtsprechung die sogenannte Verdachtskündigung entwickelt.
Danach kann eine Kündigung auch dann wirksam sein, wenn nicht die konkrete Tat sondern nur der dringende Verdacht eines schwerwiegenden Fehlverhaltes beweisen werden kann.
Da dies aber auch dazu führen könnte, dass an sich „unschuldige“ Arbeitnehmer*innen gekündigt werden könnten, wenn nur ein entsprechender Verdacht gegeben ist, gibt es zusätzliche Anforderungen, die von Arbeitgeberseite vor Ausspruch der Kündigung einzuhalten sind.
Zum einen ist Wirksamkeitsvoraussetzung, dass der Arbeitgeber eigene Ermittlungen zum Vorwurf anstellt und zum zweiten muss der konkrete Arbeitnehmende vor Ausspruch der Kündigung zu dem bestehenden Verdacht angehört werden.
Wie eine solche Anhörung abzulaufen hat, damit hatte sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Erfurt zu beschäftigen (Urteil v. 22.03.2023 – 4 Sa 272/21).
Der Fall
Der Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber seit Februar 2018 als „Verpackungshelfer“ beschäftigt.
Der Arbeitgeber verdächtigte den Arbeitnehmer Drogen zu konsumieren. Aus diesem Grund wurde der Arbeitnehmer mit Schreiben vom 25.01.2021 vom Arbeitgeber unter Darstellung der Verdachtsmomente aufgefordert wegen dieses Verdachts einem Drogentest zuzustimmen, diesen durchführen zu lassen und zu dem Verdacht Stellung zu nehmen.
Obwohl der Arbeitgeber darüber informiert war, dass der Arbeitnehmer möglicherweise seine Fahrerlaubnis aufgrund Drogenkonsums verloren hatte, erwähnte er dies in dem Anhörungsschreiben nicht.
Der Kläger verweigerte den Drogentest und äußerte sich zu den Verdachtsmomenten nicht.
Mit Schreiben vom 10.02.2021 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2021 unter Berufung auf den Verdacht des Drogenkonsums.
Die hiergegen beim Arbeitsgericht Erfurt erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei. Hiergegen wandte sich der Arbeitgeber mit seiner zum LAG Thüringen erhobenen Berufung.
Die Entscheidung
Auch das LAG gab dem Arbeitnehmer recht und wies die Berufung zurück.
Seine Entscheidung begründete das LAG vor allem damit, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört habe.
Das Anhörungsschreiben vom 25.01.2021 genüge – so das LAG weiter – nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung. Eine Anhörung sei nur dann ordnungsgemäß, wenn dem Arbeitnehmer darin alle aus Sicht des Arbeitgebers bestehenden Verdachtsmomente offengelegt werden.
Nur dann könne der Arbeitnehmer hierzu Stellung nehmen und ggf. den Verdacht entkräften.
Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber es unter Verstoß gegen diesen Grundsatz unterlassen, in dem Anhörungsschreiben das Verdachtsmoment über die möglicherweise verlorene Fahrerlaubnis mitzuteilen. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Praxistipp
Trotz dieser aus Arbeitgebersicht negativen Entscheidung ist die Verdachtskündigung ein gutes Mittel, um sich bei einer nicht 100% klaren Faktenlage dennoch vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen.
Wenn Sie mehr zur Verdachtskündigungen erfahren wollen, hören Sie sich Folge 6 unseres Podcast „Arbeitsrecht für Arbeitgeber“ an. Die Folge hat den Titel „Die Verdachtskündigung: Ein scharfes und oft erfolgreiches Schwert“ und Sie finden sie unter
https://arbeitsrecht-fuer-arbeitgeber.podigee.io/6-new-episode