Annahmeverzug – das ist das wesentliche Risiko, mit dem sich Arbeitgeber im Rahmen einer Kündigung herumschlagen müssen. Im Kern bedeutet dieser Begriff, dass Arbeitgeber im Falle der Unwirksamkeit einer Kündigung die Vergütung für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist nachzahlen müssen. Hier kann es sehr schnell um 5- oder sogar um 6-stellige Beträge gehen.
Dieses Risiko nutzen Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess gerne aus, um eine möglichst hohe Abfindung zu erzielen. Hierbei kommt es auch immer wieder vor, dass Arbeitnehmer verhindern, einen neuen Job zu finden um das Risiko und damit den Druck auf den Arbeitgeber hochzuhalten.
Keine Vergütung muss nämlich nachgezahlt werden, wenn der Arbeitnehmende eine neue Beschäftigung findet und er dort genauso viel oder sogar mehr verdient als im gekündigten Arbeitsverhältnis (verdient er weniger, so muss die Differenz zur alten Vergütung gezahlt werden).
Auch muss der Arbeitgeber dann nicht zahlen, wenn der Arbeitnehmende „es böswillig unterlässt“ anderweitigen Verdienst zu erzielen (also einen neuen Job zu suchen).
Problematisch ist, dass man als Arbeitgeber regelmäßig gar nicht weiß, ob und wie sich der Arbeitnehmer beworben hat, so dass es (zumindest in der Vergangenheit) praktisch unmöglich war vor Gericht nachzuweisen, dass der Arbeitnehmende es böswillig unterlassen hat, anderweitigen Verdienst zu erzielen.
Hierzu hatte das BAG mit seiner Entscheidung vom 27. Mai 2020 (5 AZR 387/19) Arbeitgebern bereits eine Hilfestellung gegeben. Das BAG vertrat in diesem Urteil erstmals die Auffassung, dass Arbeitgeber von gekündigten Arbeitnehmern Auskunft verlangen können, ob Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters gemacht wurden. Arbeitnehmende müssen sodann unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung detailliert Auskunft darüber geben, welche Jobs vorgeschlagen wurden.
Das war zumindest schon ein erster Schritt. Mir liegt gerade ein Verfahren vor, in dem die Bundesagentur dem Arbeitnehmern jedoch keine Stellenangebote gemacht hat. In einem solchen Fall hilft die Entscheidung des BAG nicht weiter.
Eine neue Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Brandenburg geht hier jedoch noch einen Schritt weiter und erweitert das Arsenal des Arbeitgebers im Kündigungsrechtsstreit erheblich.
Der Fall
Der gekündigte Arbeitnehmer hatte hier während des ca. 29 Monate andauernden Kündigungsrechtsstreits 23 Vermittlungsvorschläge des Jobcenters erhalten. Weiter hatte er während eines Zeitraums von 29 Monaten 103 Bewerbungen eigeninitiativ über die Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit versandt. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 30. September 2022 – 6 Sa 280/22) hatte nun zu klären, ob diese Bewerbungen ausreichen, um dem Vorwurf des Arbeitgebers, er habe es böswillig unterlassen eine neue Beschäftigung und damit eine anderweitige Verdienstmöglichkeit zu finden, erfolgreich entgegenzutreten.
Die Entscheidung
Wie das Arbeitsgericht Berlin hat auch das LAG dem Arbeitgeber beigepflichtet und entschieden, dass der Arbeitnehmende sich hier nicht ausreichend beworben habe und daher seinen Anspruch auf Nachzahlung der Vergütung – trotz Unwirksamkeit der Kündigung – verliert.
Das Arbeitnehmende habe sich, so das LAG zur Begründung, lediglich auf drei der 23 unterbreiteten Vermittlungsvorschläge beworben. Zudem seinen auch die Bewerbungen nicht ordnungsgemäß gewesen (enthielten Tippfehler im Anschreiben). Er sei außerdem telefonisch für die potenziellen Arbeitgeber nicht erreichbar gewesen, habe sich auf Antwortmails nicht zurückgemeldet und habe bei fehlenden Rückmeldungen nicht nachgefragt.
Besonders interessant ist, dass das LAG die Auffassung vertritt, der Arbeitnehmende habe insgesamt zu wenig eigene Bewerbungsbemühungen entfaltet. Rechne man seine 103 Bewerbungen auf die 29-monatige Dauer des Kündigungsschutzprozesses um, so entspräche dies – so das LAG- nicht einmal einer Bewerbung pro Woche und dies, obwohl der Arbeitnehmende im fraglichen Zeitraum ohne Arbeit war und im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle Bewerbungsbemühungen hätte entfalten „können und müssen“.
Praxistipp:
Ein sehr spannendes und hilfreiches Urteil. Zu hoffen bleibt, dass auch das Bundesarbeitsgericht sich dieser Auffassung anschließt und ebenfalls von Arbeitnehmenden verlangt sich im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle zu bewerben.
Immerhin hatte das BAG in der Vergangenheit vom Arbeitnehmenden ebenfalls eine aktive Mitarbeit bei der Beendigung von Arbeitslosigkeit verlangt (BAG mit Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19), war hier allerdings nicht konkreter geworden.