Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 28.07.2020, 1 ABR 5/19) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Ladung zu einer Betriebsratssitzung auch durch ein einfaches Mitglied des Betriebsrates (BR) erfolgen kann.

Was war passiert?

Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Einleitung von Zustimmungsersetzungsverfahren anlässlich der geplanten Umgruppierung mehrerer Mitarbeiter.

Die Arbeitgeberin ersuchte den BR mit Schreiben vom 18.08.2015 um die Zustimmung zur Umgruppierung bestimmter Mitarbeiter.

Bereits zuvor hatte das BR-Mitglied P mit E-Mail vom 14.08.2015 für eine BR-Sitzung am 17.08.2015 eingeladen. Der Texte der Einladung lautete auszugsweise:

„Betreff: Einladung zur Betriebsratssitzung am Montag 17.08.2015 um 14.00 Uhr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Liste der Eingruppierungen der Firma R ist überarbeitet. Über deren Ergebnis und zum weiteren Vorgehen bitte ich Euch alle an der Sitzung teilzunehmen.
Bitte schreibt mir kurz ob ich mit Eurer Teilnahme rechnen darf, damit Ersatzmitglieder eingeladen werden können.

Liebe Grüße
P“

Zu diesem Zeitpunkt war der BR-Vorsitzende längerfristig erkrankt. Der stellvertretende BR-Vorsitzende war für ein verlängertes Wochenende (vom 14.-17.8.2015) im Urlaub.

In der BR-Sitzung am 17.08.2015 verweigerten die anwesenden BR-Mitglieder die Zustimmung zur Umgruppierung. Der BR beschloss einstimmig, „nach Eingang der Aufforderung nach Zustimmung nach § 99 BetrVG“ diese abzulehnen.
Mit einem u.a. durch den stellvertretenden BR-Vorsitzenden unterzeichneten Schreiben vom 20.08.2015 teilte der BR mit, er verweigere die Zustimmung zu den Umgruppierungen.

Die Arbeitgeberin führte die Umgruppierung gleichwohl durch, ohne eine gerichtliche Zustimmungsersetzung beantragt zu haben. Sie hält den Beschluss für unwirksam und die Zustimmung daher für erteilt.

Die Entscheidung

Der Antrag des BR, der Arbeitgeberin aufzugeben, das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 IV BetrVG bezogen auf die Umgruppierungen bestimmter Arbeitnehmer einzuleiten, blieb in sämtlichen Instanzen erfolglos.

Das BAG führte im Rahmen seiner Entscheidung aus, dass der BR die Zustimmung nicht binnen der Frist von einer Woche nach Zugang des Schreibens vom 18.08.2015 wirksam verweigert habe. Der mit Schreiben vom 20.08.2015 erklärten Zustimmungsverweigerung liege kein wirksamer Beschluss des BR zugrunde. Die Vorinstanzen seien zutreffend davon ausgegangen, dass der vom BR in seiner Sitzung am 17.08.2015 gefasste Beschluss nichtig ist.

Ob sich dies schon aus dem Umstand ergebe, dass der Beschluss noch vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens nach § 99 I 1 BetrVG getroffen wurde, ließ das BAG offen.

Der Beschluss vom 17.08.2015 sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Einberufung der BR-Sitzung und Ladung hierzu nach § 29 II 1, 3 BetrVG fehle.

Die Einberufung der Sitzung des BR am 17.08.2015 und die Ladung hierzu seien weder durch den BR-Vorsitzenden noch durch dessen Stellvertreter erfolgt. Vielmehr habe das einfache BR-Mitglied P mit E-Mail vom 14.08.2015 die Sitzung einberufen.

Ob – abweichend von § 29 II 1, 3 BetrVG – einem BR auch ohne Einberufung einer Sitzung und Ladung durch dessen Vorsitzenden ein Recht zum Selbstzusammentritt zustehen kann, bedürfe vorliegend keiner Entscheidung. Da zum Zeitpunkt der Sitzung des BR am 17.08.2015 noch kein Zustimmungsgesuch zu den beabsichtigten Umgruppierungen beim BR eingegangen war, bestand jedenfalls kein dringender Handlungsbedarf für eine Beschlussfassung.

Bei den Regelungen in § 29 II 1, 3 BetrVG handele es sich um wesentliche Verfahrensvorschriften. Der Gesetzgeber habe dem BR-Vorsitzenden in Satz 1 der Norm ausdrücklich die Pflicht zugewiesen, nach der konstituierenden Sitzung des BR dessen weitere Sitzungen einzuberufen und die anderen BR-Mitglieder hierzu zu laden. Durch die Beschränkung nicht nur des Einberufungs-, sondern auch des Ladungsrechts auf die Person des Vorsitzenden solle eine ordnungsgemäße Arbeit des BR gewährleistet werden. Der Vorsitzende lege im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens sowohl Zeitpunkt als auch Ort der Sitzung fest und habe durch die Ladung der BR-Mitglieder sicherzustellen, dass diese die Möglichkeit haben, an der Sitzung teilzunehmen. Dadurch lenke er die inhaltliche Arbeit des BR. Könnte jedes BR-Mitglied eine Sitzung einberufen und zu dieser laden, bestünde die Gefahr, dass eine strukturierte und damit zielorientierte Arbeit des BR nicht mehr gewährleistet wäre. Auch § 29 III BetrVG zeige, dass den Verfahrensvorschriften in § 29 II 1, 3 BetrVG eine besondere Bedeutung zukomme. Danach kann grundsätzlich nicht das einzelne BR-Mitglied die Einberufung einer Sitzung erzwingen, sondern nur ein an der Gesamtgröße des BR orientiertes Quorum.

Ob die Verstöße nachträglich geheilt werden können, konnte das BAG im Ergebnis dahinstehen lassen.

Nach dem Zweck der verletzten Verfahrensvorschriften käme eine nachträgliche Heilung allenfalls dann in Betracht, wenn – was vorliegend nicht der Fall war – alle (ggf. durch Ersatzmitglieder vertretene) BR-Mitglieder zur Sitzung des BR am 17. August 2015 erschienen wären. Anders als im Fall einer fehlenden oder fehlerhaften Tagesordnung bei einer durch den Vorsitzenden erfolgten Einberufung einer Sitzung des BR und der Ladung hierzu reiche es nicht aus, dass nur die beschlussfähig Erschienenen einen einstimmigen Beschluss fassen. Um die ordnungsmäße Willensbildung des BR und die Teilnahme an den Entscheidungen des Gremiums durch das einzelne gewählte Mitglied zu gewährleisten, könnte eine Heilung dieses Fehlers daher nur dann erfolgen, wenn der BR bei der Sitzung vollzählig wäre.

Hinweis

Immer wieder machen Betriebsräte Rechte geltend, die ihnen gar nicht zustehen oder verlangen eine Mitbestimmung, obwohl ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Wenn Sie hier auf der sicheren Seite sein und den BR in geeigneten Fällen in die Schranken weisen wollen, so kommen Sie gerne auf uns zu. Wir beraten und vertreten Arbeitgeber bei allen Fragen, die die Zusammenarbeit mit dem BR betreffen.

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