Beleidigungen kommen im Arbeitsleben leider immer wieder vor. In diesem Zusammenhang stellt sich dann regelmäßig die Frage, ob deswegen wirksam fristlos gekündigt werden kann.
Mit einem solchen Fall hat sich auch jüngst das Thüringer Landesarbeitsgericht zu befassen (Urteil v. 29.6.2022 – 4 Sa 212/21).
Der Fall
Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin seit 2003 als Ökonomin beschäftigt. Dem Streit voraus ging eine betriebsbedingte Kündigung der Arbeitnehmerin, welche vom Arbeitsgericht rechtskräftig für unwirksam erklärt worden war.
Als die Arbeitnehmerin nach Abschluss des arbeitsrechtlichen Verfahrens auf ihren Arbeitsplatz zurückkehrte, wurde sie mit der Archivierung von Akten beschäftigt. Dies erfolgte in einem Keller, in dem Schimmel, Mäuse, Mäusekot und Mäusedreck waren. Die Temperatur betrug dort 11 °C.
Mit der Arbeitnehmerin am 29.11.2019 zugegangenem Schreiben kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Hiergegen richtet sich die am 11.12.2019 beim Arbeitsgericht Nordhausen eingegangene Kündigungsschutzklage.
Die Arbeitgeberin begründete die Kündigung damit, dass die Arbeitnehmerin sich über den Geschäftsführer der Arbeitgeberin dahingehend geäußert habe, dass der Flur stinke, nachdem er, der Geschäftsführer, diesen beschritten habe. Darüber hinaus habe sie eine Mitarbeiterin als „fette ….“, eine Kollegin … als „blöde ….“ bezeichnet und im Hinblick auf die Mitarbeiterin Frau …… geäußert „die … latscht und pfeift wie ein Kerl über den Flur.
Die vor dem Arbeitsgericht erhobene Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam. Hiergegen wandte sich die Arbeitgeberin mit ihrer Berufung zum Landesarbeitsgericht.
Die Entscheidung
Das LAG entschied ebenfalls zugunsten der Arbeitnehmerin und stufte die Kündigung als unwirksam ein. Genau wie das Arbeitsgericht argumentierte das LAG, dass die Beleidigungen – unterstellt sie wären so gefallen – grundsätzlich geeignet seien eine fristlose Kündigung zu begründen.
Vorab hätte die Arbeitnehmerin allerdings abgemahnt werden müssen, da nicht ausgeschlossen sei, dass sie die Abmahnung als Warnung wahrgenommen hätte und ihr Verhalten zukünftig geändert hätte.
Ebenfalls berücksichtigt hat das LAG bei seiner Entscheidung, dass die Arbeitnehmerin über 16 Jahre bei der Arbeitgeberin beschäftigt gewesen ist und dass die erniedrigende und menschenwürdige Beschäftigung im Keller – so das LAG – sie in eine emotionale Ausnahmesituation versetzt habe, in der sie die Bedeutung ihrer beleidigen Äußerungen ggf. nicht wahrgenommen habe.
Was lernen wir daraus?
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass die Arbeitsgerichte nur in seltenen Ausnahmesituationen Kündigungen (egal ob fristlos oder fristgemäß) wegen ausgesprochener Beleidigungen für wirksam halten, wenn vorab keine Abmahnung wegen eines ähnlichen Vorfalls erteilt worden ist.
Anders ist dies laut Rechtsprechung des BAG nur bei Beleidigungen mit rassistischem oder faschistischem Hintergrund.
Hinzu kommt, dass stets der konkrete Einzelfall sowie das Umfeld des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden muss. Insbesondere in Firmen, in denen ein etwas lockererer Umgangston herrscht und z.B. Beleidigungen wie „Spinner“, „Armleuchter“ oder auch „Idiot“ an der Tagesordnung sind, kann nach einer solchen Äußerung nicht sofort gekündigt werden.
Hier müsste zuerst klargemacht werden, dass solche Worte zukünftig nicht mehr hingenommen werden. Erst danach könnte dann arbeitsrechtlich eingeschritten werden.