Stiehlt ein Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber Sachen von geringen Wert, gab es schon immer eine intensive Auseinandersetzung darüber, ob eine deswegen ausgesprochene fristlose Kündigung (ohne Abmahnung) wirksam ist,

In der sogenannten „Bienenstich-Entscheidung“ aus dem Jahre 1984 (Urteil vom 17.05.04 – 2 AZR 3/83) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals klargestellt, dass auch bei einem Diebstahl nur geringwertiger Sachen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein kann, da es primär nicht auf den Wert sondern auf das durch den Diebstahl zerstörte Vertrauensverhältnis ankomme.

Das BAG prüft dann in einem weiteren Schritt, ob die Tat auch im konkreten Einzelfall geeignet ist die Kündigung zu rechtfertigen. Hierbei werden alle Umstände des Einzelfalls abgewogen.

In der sogenannten „Emmely-Entscheidung“ vom 10. Juni 2010 (2 AZR 541/09) kam das BAG beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die konkrete Kündigung wegen des sehr langen Beschäftigungsverhältnisses (über 30 Jahre) und des während dieser Zeit erworbenen „Vertrauenskapitals“, das durch die Tat nicht vollständig aufgezehrt sei, unwirksam sei. Es hielt aber ausdrücklich daran fest, dass ein Diebstahl geringwertiger Sachen grundsätzlich geeignet sei eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

In einem aktuellen Fall hatte des Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern erneut zu entscheiden, ob in einem konkreten Fall, eine fristlose Kündigung wirksam ist oder nicht (Urteil vom 12.06.2018, Az.: 2 Sa 224/17).

Was war passiert?
Die seit 1997 beschäftigte Arbeitnehmerin (und weitere Kollegen) erhielt am 13.04.2017 von ihrem Teamleiter die Mitteilung, dass sie aus einem vor dem Teamleiterbüro stehenden Karton jeweils eine Käsepackung im Wert von 1,99 € entnehmen und mit nach Hause nehmen könne.

Dies machte die Arbeitnehmerin wie auch einige ihrer Kollegen. Bei einer stichprobenartig durchgeführten Taschenkontrolle wurde die Käsepackung entdeckt. Der stellvertretende Teamleiter erhielt eine Abmahnung, die Arbeitnehmerin wurde fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt. Das Arbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin auf Ihre erhobene Kündigungsschutzklage hin Recht.

Die Entscheidung:
Auch das LAG hielt die Kündigungen für unwirksam und bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichtes. Aus Sicht des LAG fehlt es an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB.

Das LAG betont zwar ausdrücklich, dass die Entwendung von Gegenständen, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, eine besonders schwere Pflichtverletzung durch einen Arbeitnehmer darstellen könne, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne.

Hier sei aber insbesondere das Einverständnis des stellvertretenden Teamleiters zu berücksichtigen, sodass die Arbeitnehmerin davon ausgehen durfte, dass die Mitnahme des Käses in Ordnung sei. Dies sei zwar nicht richtig, da der Teamleiter zu seiner Erklärung nicht befugt gewesen sei; dies sei der Arbeitnehmerin jedoch nicht anzulasten.

Außerdem sei ein fahrlässiger Diebstahl oder eine fahrlässige Unterschlagung, auch wenn die Klägerin die Nichtberechtigung des Teamleiters hätte erkennen können, jedenfalls nicht strafbar.

Darüber hinaus sei, so das LAG weiter, selbst wenn man hier ein strafbares Verhalten der Arbeitnehmerin annehmen würde, die ausgesprochene Kündigung unverhältnismäßig, da vorher eine Abmahnung hätte erfolgen müssen. Diese Pflicht ergäbe sich zum einen aus der langjährigen, beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmerin.

Zum anderen habe die Arbeitgeberin auch dem stellvertretenden Teamleiter, der unstreitig mit der Mitnahme des Käses einverstanden war, wegen seines Verhaltens lediglich eine Abmahnung erteilt und es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Arbeitgeberin bei der Arbeitnehmerin, die zudem als Gabelstaplerfahrerin keine gesteigerte Vertrauensstellung genießt, davon ausgehen konnte, dass eine Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hätte, bei deren Vorgesetzten, der eine Vertrauensstellung innehatte, jedoch eine Abmahnung genügen ließ.

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