Ein Arbeitsverhältnis kann nicht nur durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet werden – in bestimmten Situationen kann auch eine Anfechtung das Arbeitsverhältnis auflösen.
Der am häufigsten vorkommende Fall ist eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB, wenn der Arbeitgeber während des Bewerbungsprozesses durch den Arbeitnehmer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen betrogen und dadurch zum Abschluss des Arbeitsvertrages gebracht wurde. Über einen solchen Fall hatte jüngst das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu entscheiden (Urteil vom 21.0.2019 – 3 Sa 65/17).

Der Fall

Der Arbeitnehmer hatte sich per E-Mail auf eine Stellenanzeige des Arbeitgebers beworben. Im Rahmen seiner Bewerbung reichte der Kläger einen Lebenslauf ein und füllte einen Personalbogen aus. Aufgrund dieser Unterlagen wurde der Arbeitnehmer schließlich zum 1. Dezember 2014 als Group IT-Direktor zu einem Monatsgehalt von 8.000,00 Euro brutto eingestellt.
Für die Einstellung des Arbeitnehmers ausschlaggebend waren die angegebenen Erfahrungen im Ausland und die damit verbundenen Kenntnisse aus den Jahren 1998 bis 2006.
Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweise des Nachnamens des Klägers in den vorgelegten Unterlagen und des Umstandes, dass der Kläger im Gespräch mit dem Personalleiter das Abschlussjahr seines Studiums mit 1997, in späteren Schreiben mit 2001 angegeben hatte, kamen beim Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Universitätsabschlusszeugnisses des Klägers auf. Im Rahmen ihrer Recherchen stieß die Beklagte auf ein im Internet zugängliches Degree Verify Certificate, das einen Studienbeginn des Klägers im Jahr 1996 auswies. Damit konfrontiert, gab der Kläger an, dass es sich bezüglich des im Lebenslauf und im Personalfragebogen angegebenen Jahrs des Studienabschlusses mit 1997 um einen bloßen Datumsfehler handele und das Abschlussjahr richtigerweise 2001 gewesen sei.
Nachdem der Arbeitnehmer auf Aufforderung des Arbeitgebers keine beglaubigten Abschriften seiner Zeugnisse bzw. Belege der Studienzeiten vorlegen konnte, stellte der Arbeitgeber einen weiteren Backgroundcheck an.

In diesem Rahmen stellte der Arbeitgeber fest, dass der Arbeitnehmer eine massive Straftat im IT-Bereich begangen hatte, die da laute „beabsichtigtes Schadenszufügen zu einem Computer“, „unautorisierter Zugang zu einem Computer mit rücksichtsloser Verursachung eines Schadens und versuchte Inbesitznahme eines gestohlenen Geschäftsgeheimnisses“. Deshalb war der Kläger von Januar 2004 bis Dezember 2006 im Dept of Corrections in St. J. in K. inhaftiert gewesen.
Nachdem der Arbeitnehmer auch zu diesen neuen Erkenntnissen keine Stellung nahm, focht der Arbeitgeber mit Schreiben vom 27. April 2017 sein Arbeitsvertragsangebot vom 27. November 2014 wegen arglistiger Täuschung über Vorbeschäftigungen und Verschweigens einer schwerwiegenden Straftat im IT-Bereich an.

Der Kläger erhob hiergegen Klage zum Arbeitsgericht. Diese gab dem Arbeitnehmer recht und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Anfechtung des Arbeitgebers beendet wurde.
Das Gericht stellte zur Begründung vor allem darauf ab, dass der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei von sich aus seine Haftstrafe zu offenbaren. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung zum LAG ein.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hob das Urteil des Arbeitsgerichts auf und entschied zugunsten des Arbeitgebers.
Dies deswegen, weil der Arbeitgeber aus Sicht des LAG zur Anfechtung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, da er vom Kläger arglistig getäuscht worden sei.
Allerdings könne die Anfechtung – so das Gericht – nicht erfolgreich auf den Umstand gestützt werden, dass der Arbeitnehmer im Jahr 1998 eine Straftat im IT-Bereich begangen und deshalb von 2004 bis 2006 eine dreijährige Freiheitsstrafe in den USA verbüßt habe. Denn eine Offenbarungspflicht bestand für den Arbeitnehmer beim Bewerbungsverfahren im Jahr 2014 nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger einen entsprechenden Sachverhalt wegen Ablaufs der Tilgungsfristen nach dem Bundeszentralregistergesetz nicht mehr offenbaren müssen.
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist aber laut LAG vorliegend deswegen berechtigt, weil der Arbeitnehmer unzutreffende Angaben über seinen beruflichen Werdegang gemacht und dies die Beklagte zu seiner Einstellung veranlasst hat.
Zumindest von 2004 – 2006 (Verbüßung der Haftstrafe) konnte der Kläger entgegen seiner Angaben im Lebenslauf und Personalbogen keine Berufserfahrungen gesammelt haben. Hinzu kommt, dass auch bezüglich der übrigen Zeiten das Gericht aufgrund fehlender Angaben des Arbeitgebers im Verfahren es als erwiesen sah, dass der Kläger hier keine Berufserfahren vorweisen konnte.
Über das Bestehen dieser Berufserfahrungen hattte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber arglistig getäuscht.

Praxistipp

Dies Entscheidung macht noch einmal deutlich, dass Sie als Arbeitgeber durchaus die Möglichkeit haben das Arbeitsverhältnis durch Anfechtung zu beenden, sollte sich herausstellen, dass Sie der Arbeitnehmer im Bewerberbungsverfahren bei wesentlichen Fragen, die für die Einstellungsentscheidung ausschlaggebend waren, angelogen hat.
Ebenfalls von Bedeutung im o.g. Verfahren war die (datenschutzrechtliche) Frage, ob der Arbeitgeber zur Durchführung des Background-Checks überhaupt berechtigt war.
Gemäß § 26 Bundesdatenschutzgesetz, darf der Arbeitgeber alle personenbezogenen Daten verarbeiten, die erforderlich sind um das Bewerbungsverfahren ordnungsgemäß durchzuführen und ein Entscheidung über die zu besetzende Stelle zu treffen.

Alle Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber bezogen auf die zu besetzende Stelle ein berechtigtes Interesse hat, dürfen gestellt und müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden (z.B. Art und Umfang der Berufserfahrung). Bezüglich dieser Fragen, darf der Arbeitgeber die gewünschten Informationen auch über sonstige allgemein zugängliche Informationsquellen erlangen bzw. überprüfen. Insbesondere sind diese auch soziale Medien wie XING oder LinkedIn.
Als Umgehung des Fragerechtes wird es aber angesehen, wenn über solche Quellen (z.B. soziale Netzwerke) Informationen erlangt werden sollen, die zulässigerweise vom Arbeitnehmer nicht hätten erfragt werden dürfen.

Benötigen Sie eine arbeitsrechtlich oder datenschutzrechtliche Beratung oder eine sonstige Unterstützung zum Thema Arbeitsrecht Hamburg, so kommen Sie gerne auf mich zu.