In der jüngeren Vergangenheit haben uns mehrere Anfragen von Unternehmen erreicht, ob und wenn ja, welche Auswirkungen Kurzarbeit, die während der Corona Pandemie notwendig geworden ist, auf den Umfang des Urlaubsanspruches von Mitarbeitern hat.

Variante 1 (Anzahl der Arbeitstage bleibt unverändert)

Die Kurzarbeit hat keine Auswirkungen auf den Umfang des Urlaubsanspruchs, wenn sich die Anzahl der Arbeitstage eines während der Kurzarbeit nicht reduziert.

Für die Berechnung des Urlaubsanspruchs kommt es auf die Anzahl der Arbeitstage pro Woche, nicht jedoch auf die reduzierte Arbeitszeit an. Wenn Mitarbeiter vor und während der Kurzarbeit an fünf Tagen die Woche arbeiten, bleibt der Umfang des Urlaubsanspruches unverändert.

Variante 2 (Anzahl der Arbeitstage verringert sich)

Verändert sich während der Kurzarbeitsphase die Anzahl der Arbeitstage ist eine Reduzierung des Urlaubsanspruches grundsätzlich denkbar.

Allerdings existiert bis dato keine unmittelbar anwendbare Rechtsprechung, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Urlaubsanspruch bei konjunkturbedingter Kurzarbeit verringert.

Insofern stehen sich in der Literatur unterschiedliche Rechtsauffassungen gegenüber.

Viele Autoren, die für eine Kürzung des Urlaubsanspruches bei konjunkturbedingter Kurzarbeit argumentieren, ziehen in diesem Zusammenhang Rechtsprechung des EuGH und des BAG zu ähnlich gelagerten Konstellationen heran.

Der EuGH hat bereits mit Urteil vom 08.11.2012, C-229/11, entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub während einer Phase der Transfer-Kurzarbeit anteilig gekürzt werden kann, ohne dass dies gegen Unionsrecht verstoße. Mitarbeiter in Kurzarbeit seien im Ergebnis mit vorübergehend teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gleichzusetzen. Hinsichtlich der Teilzeitbeschäftigten sei anerkannt, dass die Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage zu einer anteiligen Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen könne.

Auch das LAG Hamm hat sich mit Urteil vom 30. August 2017, 5 Sa 626/17, mit diesem Problem auseinandergesetzt und ist im Einklang mit dem vorstehenden Urteil des EuGH davon ausgegangen, dass der Urlaubsanspruch bei einer Transferkurzarbeit Null wie bei einem Teilzeitarbeitsverhältnis zeitanteilig zu berechnen und somit zu kürzen ist.

Zuletzt hat der EuGH mit Urteil vom 13.12.2018, C-385/17, festgestellt, dass Mitarbeiter den Urlaubsanspruch nur in Zeiten erwerben können, in denen sie tatsächlich gearbeitet haben. Hierfür spreche, so der EuGH, dass Arbeitnehmer, die sich in Kurzarbeit befinden, die nunmehr gewonnene Zeit nutzen könnten, um sich – anders als erkrankte Mitarbeiter – auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen.

Befinden sich Mitarbeiter beispielsweise für die Dauer von drei Monaten in Kurzarbeit Null, mindert sich der Jahresurlaubsanspruch danach jeweils um 3/12.

Was müssen Sie als Arbeitgeber tun?

Ungeklärt ist die Frage, ob sich der Urlaubsanspruch automatisch kürzt, ob es hierzu einer Erklärung des Arbeitgebers oder gar einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf.

Ausgehend von der o.g. Rechtsprechung des EuGH ist ein Mitarbeiter, der sich vorübergehend in Kurzarbeit befindet, einem Teilzeitbeschäftigten gleichzustellen.

Verändert sich die Arbeitszeit des Mitarbeiters im laufenden Kalenderjahr, so ist der Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr grundsätzlich nach Zeitabschnitten und der Anzahl der Arbeitstage anteilig zu berechnen bzw. umzurechnen.

Das BAG hat dies zuletzt in unterschiedlichen Fallkonstellationen (bei einer unbezahlten Freistellung in Form eines Sabbaticals und bei der Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit im Blockmodell) (Urteile vom 19.03.2019, 9 AZR 406/17 und vom 24.09.2019, 9 AZR 481/18), bestätigt.

Die vorstehende Rechtsprechung spricht somit für eine automatische Kürzung bzw. Anpassung des Urlaubsanspruches.
Arbeitgeber sollten die anteilige Kürzung bzw. den Wegfall der Urlaubstage, gleichwohl gegenüber den Mitarbeitern kommunizieren. Da Sie Ihre Mitarbeiter ohnehin rechtzeitig vor dem Jahresende über noch offene Resturlaubsansprüche informieren müssen, und aufzufordern haben, diesen Urlaub zu nehmen, um einen Anspruchsverfall zu verhindern, nutzen Sie diese Information für eine Erklärung der Anpassung des Urlaubsanspruches.

Vorsichtigen Arbeitgebern sei zudem geraten, entsprechende, ausdrückliche Kürzungsregelungen in ihre Musterarbeitsverträge aufzunehmen. Falls Sie in diesem Zusammenhang Unterstützung benötigen oder eine Überarbeitung Ihrer Musterarbeitsvertragsklauseln zum Urlaub wünschen, sprechen Sie uns gerne an.

Praxishinweis

Aufgrund der derzeit noch unklaren Rechtslage und aufgrund der Besonderheiten der Corona Pandemie sollten Sie als Arbeitgeber jeweils bedenken, dass eine Kürzung von Urlaubsansprüchen neben klassischen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten auch zu unerwünschten Begleiterscheinungen (u.a. Auswirkung auf die Stimmung und Motivation der Belegschaft) führen kann, was gerade in der aktuellen Zeit nicht zu vernachlässigen sein sollte.
Bei Fragen und Anmerkungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg