Das Bundesarbeitsgericht hat zusammen mit dem Europäischen Gerichtshof in den letzten 10 Jahren das Urlaubsrecht völlig auf den Kopf gestellt. Zuletzt ging es in den Entscheidungen immer wieder um den Verfall von Urlaub.
Danach ist es nunmehr so, dass Urlaub nur noch verfallen kann, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer*innen vorher rechtzeitig auf den noch bestehenden konkreten Urlaubsanspruch sowie auf seinen Verfall zu einem konkreten Datum hingewiesen hat.
Auch verjähren kann der Urlaub erst ab diesem Zeitpunkt. Erfolgt dieser Hinweis nicht, kann theoretisch auch noch ein Urlaubsanspruches aus einem Jahr verlangt werden, das z.B. 10 Jahre zurückliegt.
Ein Hinweis ist nicht notwendig, wenn ein Arbeitnehmender das gesamte Jahr über arbeitsunfähig krank war.
Wie ist es aber in einem Jahr, in dem der Arbeitnehmer im Laufe des Januars krank wird und die Krankheit dann über das gesamte Jahr andauert? Mit einer solchen Konstellation hatte sich das BAG in eine Entscheidung zu befassen, die nunmehr veröffentlich wurde (Urteil vom 31.01.2023 – 9 AZR 107/20).
Der Fall
Der Arbeitnehmer war seit 1989 beim Arbeitgeber beschäftigt. Er hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen.
Vom 18. Januar 2016 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag zum 28.02.2019 war der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Im Aufhebungsvertrag war zwar der Urlaub für 2017 – 2019 geregelt, zum Urlaub für 2016 wurde jedoch ausdrücklich aufgenommen, dass dieser zwischen den Parteien strittig sei.
Es kam wie es kommen musste – der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht die Abgeltung der 30 Tage für 2016 in Höhe von € 5.504,70 brutto ein.
Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Gegen das abweisende Urteil des LAG legte der Arbeitnehmer Revision zum BAG ein.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des LAG auf und verweis den Streit an das LAG zu Klärung weiterer Tatsachen zurück.
Hierbei wies das BAG darauf hin, dass die Rechtsauffassung des LAG, der Urlaub aus dem Jahr 2016 sei 15 Monate nach Ende des Jahres verfallen auch wenn der Arbeitgeber im Jahr 2016 dem Arbeitnehmer gegenüber keinen Hinweis über den Verfall des Urlaubs gegeben habe, falsch sei.
Urlaub verfällt – so das BAG weiter – nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (durch einen Hinweis bzw. durch eine Aufforderung) in die Lage versetzt hat seinen Urlaub zu nehmen und der Arbeitnehmer diesen aus freien Stücken nicht nimmt.
Nur in Ausnahmefällen, könne also der Urlaub nach Meinung des BAG dann verfallen, wenn die Krankheit des Arbeitnehmenden sehr früh in einem Jahr eintritt, so dass es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, auf die Urlaubnahme und den Verfall hinzuweisen.
Da der volle Urlaubsanspruch in einem Arbeitsverhältnis das bereits länger als 6 Monate besteht zum 01. Januar eines jeden Jahres entsteht, müsse der Arbeitgeber – so das BAG – den Arbeitnehmer unverzüglich nach Entstehen des Urlaubsanspruches auf die Urlaubsnahme und dessen Verfall hinweisen.
Was bedeutet unverzüglich denn nun konkret?
Das BAG vertritt in der vorliegenden Entscheidung die Auffassung, der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer bis zum 08.01. auf seinen Urlaub und möglichen Verfall bei Nichtnahme hinweisen müssen.
Die Konsequenzen in der Praxis
Aufgrund des Urteils müssen Arbeitgeber ihre Vorgehensweise erneut ändern. Um sicher zu gehen, dass Urlaub am 31.03. des übernächsten Jahres auch wirklich verfällt, müssen alle Arbeitgeber nun stets bereits zu Beginn des Jahres (spätestens am 08. Januar) alle ihre Arbeitnehmer*innen auf ihren Urlaubsanspruch (inkl. eines eventuellen Zusatzurlaubes wegen einer Behinderung) und auf den Verfall am 31.03. des übernächsten Jahres bei Nichtnahme hinweisen.
Wieso ging es hier um die Abgeltung von 30 Tagen Urlaub?
Sie können Ihr Risiko als Arbeitgeber deutlich reduzieren, wenn Sie im Arbeitsvertrag den Urlaub in den gesetzlichen und den zusätzlichen Urlaub aufteilen. In diesem Fall, können Sie ebenfalls regeln, dass der zusätzliche Urlaub bereits vorher verfällt. Die vorstehende Rechtsprechung gilt nämlich nur für den gesetzlichen Urlaub.
Im vorliegenden Fall des BAG beruhte der Urlaub nämlich auf einem Tarifvertrag, der nicht zwischen dem gesetzlichen und dem zusätzlichen Urlaub unterschied.
Kommen Sie gerne auf uns zu, wenn wir überprüfen sollen, ob Ihre arbeitsvertragliche Regelung hier ausreichend ist. Wir bieten Ihnen an, Ihr gesamtes Arbeitsvertragsmuster einem kostenfreien Erstcheck zu unterziehen. Nur wenn Veränderungsbedarf besteht, würden wir Ihnen diesen mitteilen und Ihnen dann ein Angebot zur Überarbeitung unterbreiten.