Kündigen während der Wartezeit – welche Risiken gibt es dennoch?

Innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses gilt bekanntermaßen das Kündigungsschutzgesetz noch nicht, sodass Sie für eine Kündigung keinen Grund benötigen. Ist also alles gut? Nicht ganz!
Zum einen sind die formalen Voraussetzungen von Kündigungen zu beachten. Denken Sie daran, dass Sie den Zugang der Kündigung sicherstellen müssen. Hierbei kommt es sowohl darauf an, dass die Kündigung überhaupt dem Arbeitnehmer zugeht als auch darum, wann diese ihm zugeht. Wir raten dazu stets einen Boten aus der Firma einzusetzen, der nach Übergabe bzw. Einwurf in den Hausbriefkasten ein Protokoll erstellt, in dem er vermerkt, wann er die Kündigung wie hat zugehen lassen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Bote die Kündigung selbst gesehen hat und nicht nur den Zugang eines verschlossen Umschlages bezeugen kann.
Zum zweiten gilt auch während der Pandemie die strenge Schriftform des § 623 BGB für die Kündigung. Nur Kündigungen, die eine Originalunterschrift tragen (keine Farb- oder sonstige Kopie, keine elektronische Zustellung) sind wirksam!
Zuletzt denken Sie bitte daran, dass ein Berechtigter die Kündigung unterzeichnet. Im Zweifel sollte immer eine Vollmacht im Original beigelegt werden, sodass keine Zweifel darüber bestehen, dass die Kündigung auch von der Person unterzeichnet werden durfte, die sie unterschrieben hat.
Heute soll es aber um eine andere Frage gehen, und zwar darum, wie man bei Kündigungen in der Wartezeit den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG anhört.
Keine Zweifel bestehen daran, dass auch während der ersten 6 Monate bei einer Kündigung der Betriebsrat anzuhören ist. Tun Sie dies nicht, so ist die Kündigung unwirksam.
Wie bei allen Kündigungen, kann die Anhörung aber auch dann fehlerhaft sein, wenn sie zwar erfolgt, dem Betriebsrat aber nicht genügend Informationen mitgeteilt wurden. Was ist also zu tun?
Ich hatte gerade einen Fall, in dem der Arbeitgeber den Betriebsrat wie folgt über den „Kündigungsgrund“ informiert hat:
„Die Kündigung erfolgt während der Probezeit ohne einen Kündigungsgrund.“
Reicht das aus?
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12.09.2013 (6 AZR 121/12) diese Frage beantwortet. In dem genannten Urteil macht das BAG deutlich, dass während der ersten 6 Monate zwar nicht die strengen Anforderungen bestehen, die an Kündigungen im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes zu stellen sind; Ausführungen zum Hintergrund der Kündigung können jedoch nicht vollständig unterbleiben.
Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrates durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, müsse man – so das Gericht – zwischen Kündigungen, die auf Tatsachen gestützt werden und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, differenzieren.
In der ersten Konstellation genügt nach Auffassung des BAG die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrunde liegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.
In meinem oben geschilderten Fall war die Anhörung fehlerhaft und damit die Kündigung unwirksam, da der Arbeitgeber weder die Tatsachen, auf denen die Kündigung beruht (z.B. Auftragsmangel) noch sein Werturteil (z.B. Arbeitnehmer passt nicht ins Team) dem BR mitgeteilt hat.
Praxistipp
Sie sehen, ganz so einfach sind auch Kündigung während der Wartezeit nicht. Insbesondere wenn der Betriebsrat anzuhören ist, können durchaus Probleme auftreten. Wenn Sie hierzu Fragen haben oder Unterstützung bei der Vorbereitung oder der Durchführung von Kündigungen benötigen, so kommen Sie gerne auf mich zu.
Dr. Alexander Scharf
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Kurzarbeit: Auswirkungen auf den Urlaub

Viele Arbeitgeber stehen aktuell vor der Frage, welche Auswirkungen Kurzarbeit, die während der Corona Pandemie notwendig geworden ist, auf den Umfang des Urlaubsanspruches von Mitarbeitern hat.
Wir hatten dieses Thema erstmalig mit umfangreichen Hinweisen zur Sach- und Rechtslage am 25.09.2020 vorgestellt.
Nunmehr liegt eine aktuelle Gerichtsentscheidung des LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20, vor, die aus Arbeitgebersicht erfreulich ist und deren Kenntnis für die Personalpraxis von erheblicher Bedeutung ist.
Der Fall
Was war passiert?
Die Klägerin ist seit dem 01.03.2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der Beklagten, einem Betrieb der Systemgastronomie, beschäftigt. Sie ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Vereinbarungsgemäß stehen ihr pro Jahr 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu.
Ab dem 01.04.2020 galt für die Klägerin infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember wiederholt Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend.
Im August und September 2020 hatte die Beklagte ihr insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. So unterliege sie während der Kurzarbeit Meldepflichten. Auch könne die Arbeitgeberin die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, weswegen es an einer Planbarkeit der freien Zeit fehle.
Sie begehrt deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zustehe, d.h. noch 2,5 Arbeitstage.
Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen. Mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null entstünden keine Urlaubsansprüche. Sie habe deshalb den Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 bereits vollständig erfüllt.
Die Entscheidung
Die 6. Kammer des LAG Düsseldorf hat die Klage ebenso wie das Arbeitsgericht Essen abgewiesen.
Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null sei der Urlaub um 1/12 zu kürzen, was sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde.
Im Hinblick darauf, dass der Erholungsurlaub bezweckt, sich zu erholen, setzt dies eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist.
Dies entspreche dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht.
Das deutsche Recht enthalte dazu keine günstigere Regelung. Weder existiere diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An alledem habe der Umstand, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona-Pandemie veranlasst wurde, nichts geändert.
Ausblick
Das LAG Düsseldorf hat die Revision zum BAG zugelassen. Mit einer abschließenden Klärung der Streitfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kürzung von Urlaubsansprüchen bei konjunktureller Kurzarbeit rechtswirksam möglich ist, ist möglicherweise in absehbarer Zeit zu rechnen. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass das BAG sich gezwungen sieht, auch diesen Rechtsstreit ggf. dem EuGH vorzulegen. Wir werden Sie diesbezüglich auf dem Laufenden halten.
Zur weiteren Vertiefung legen wir Ihnen ergänzend noch einmal die Lektüre unseres Artikels vom 25.09.2020 wärmstens an Herz.
https://www.xing.com/communities/posts/arbeitsrecht-fuer-arbeitgeber-1020271708
Bei Fragen und Anmerkungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Jens Buchwald
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Abschlussformulierung, oder nicht? – Neues aus der Zeugnisrechtsprechung

Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2001 eine Grundsatzentscheidung getroffen, nach der ein Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abschlussformulierung (Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel) im Zeugnis habe (Urteil vom 20.02.2001 – 9 AZR 44/00). Das BAG begründet dies damit, dass die gesetzliche Grundlage (§§ 630 BGB, 109 GewO) keinen solchen Anspruch vorsehe und das Zeugnis ohne die Abschlussformulierung weder unvollständig sei, noch dass es sich bei der Auslassung der Abschlussformulierung um ein unzulässiges Geheimzeichen handele.
Das LAG Düsseldorf hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem in einem Zeugnis ebenfalls die Abschlussformulierung weggelassen wurde (Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20).
Der Fall
Der Arbeitnehmer war vom 01.03.2017 bis zum 31.03.2020 bei einem Personaldienstleister beschäftigt. Das vom Arbeitgeber erteilte Zeugnis endete mit dem Satz „Herr K. scheidet mit dem heutigen Tage aus unserem Unternehmen aus.“, ohne dass das Zeugnis eine Abschlussformulierung enthielt. Unter anderem hiergegen wandte sich der Arbeitnehmer mit seiner vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach erhobenen Zeugnisberichtigungsklage. Er wollte den Arbeitgeber u.a. verpflichten eine Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel aufzunehmen.
Das Arbeitsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers ab und führte unter Bezugnahme auf die o.g. Rechtsprechung des BAG aus, dass dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf eine Abschlussformulierung zustünde. Hiergegen wendet sich der Arbeitnehmer mit seiner Berufung zum LAG Düsseldorf.
Die Entscheidung
Das LAG gab dem Arbeitnehmer teilweise Recht.
Zunächst einmal weist das Gericht darauf hin, dass ein Anspruch auf den Ausspruch des Bedauerns zumindest im vorliegenden Fall nicht bestehe.
Wird einem Arbeitnehmer – wie hier – nur eine leicht überdurchschnittliche Leistung attestiert, so gebe es aus Sicht des Gerichtes keine Üblichkeit einer solcher Schlussformulierung. Das Zeugnis wirke – so die Kammer weiter – auch weder in sich widersprüchlich noch steht die Auslassung im Widerspruch zur Bewertung von Leistung und Verhalten im Übrigen, wenn dem leicht überdurchschnittlichen Mitarbeiter, der damit eben keine Spitzenkraft war, nicht bescheinigt wird, dass man sein Ausscheiden bedauert. Die Äußerung einer solchen Empfindung wäre hier überobligatorisch und könne daher rechtlich nicht vom Arbeitgeber verlangt werden. Ausdrücklich offen ließ das LAG die Frage, ob ein solcher Anspruch bestehen könne, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein sehr gutes Zeugnis erteilt habe. Bezüglich des gewünschten „Bedauerns“ entschied das LAG also gegen den Arbeitnehmer.
Anders entschied das LAG jedoch bezüglich des Dankes und der guten Wünsche. Diese stünden dem Arbeitnehmer zu.
Zunächst einmal führt das LAG unter Bezugnahme auf eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg aus, dass 79% der in der Studie ausgewerteten Zeugnisse Dank und gute Wünsche aussprachen. In insgesamt 97% der Zeugnisse waren zumindest die guten Zukunftswünsche enthalten.
Vor diesem Hintergrund weist das LAG darauf hin, dass zumindest in Zeugnissen, in denen die Leistungs- und Verhaltensbewertung über ein „befriedigend“ signifikant hinausgeht das Fehlen einer Schlussformulierung, mit der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und alles Gute und Erfolg für den weiteren Berufsweg wünscht, eine nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO unzulässige Abwertung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung darstelle.
Mit einem ohne abschließende freundliche Schlussfloskel ausgestellten Zeugnis genüge der Arbeitgeber – so das LAG – nicht dem allgemeinen zeugnisrechtlichen „Wohlwollensgebot“. Danach müsse das Zeugnis von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und darf dessen weiteres Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren.
Praxistipp
Das LAG hat in diesem Fall die Revision zum BAG zugelassen, sodass wir abwarten müssen, wie hier abschließend entschieden wird. Aus Arbeitgebersicht war die bisherige Rechtsprechung des BAG sehr positiv, da diese jedem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnete deutlich zu machen, dass er den Arbeitnehmer negativ bewerte, selbst wenn er ihm um Streit zu vermeiden eine gute Leistung attestieren musste.
Rechtlich-objektiv gesehen sind die Argumente des LAG jedoch nicht vor der Hand zu weisen, sodass es spannend bleibt, wie der Fall ausgeht.
Wenn Sie Fragen zur Erstellung von Zeugnissen bzw. zu Forderungen von Arbeitnehmern, ein bereits ausgestelltes Zeugnis zu ändern, haben, so kommen Sie gerne auf mich zu.
Dr. Alexander Scharf
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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LAG Düsseldorf: Krankheitsbedingte Kündigung

Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) – Wann muss ein BEM erneut angeboten werden?
Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 09.12.2020, 12 Sa 554/20, zitiert nach juris) hatte sich mit der höchst praxisrelevanten Frage zu beschäftigen, welche kündigungsrechtlichen Folgen es hat, wenn nach der Durchführung eines BEM erneut Krankheitszeiten von mehr als sechs Wochen auflaufen.
Der rechtliche Hintergrund
Sind Beschäftigte / Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist die Durchführung eines BEM seitens des Arbeitgebers gem. § 167 II SGB IX anzubieten.
Höchstrichterlich ist bis dato ungeklärt, ob nach einem durchgeführten BEM dieses bereits dann erneut anzubieten ist, wenn der Arbeitnehmer nach dem ersten BEM innerhalb eines Jahres wieder länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt oder ob ein erneutes BEM erst frühestens nach Ablauf von einem Jahr nach Beendigung des ersten BEM anzubieten ist, wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum erneut mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeitszeiten aufweist.
Was war passiert?
Der im Jahr 1973 geborene Kläger ist seit 2001 für die Beklagte als Produktionshelfer tätig.
Der Kläger war in den Jahren 2017 bis 2019 an einer Vielzahl von Arbeitstagen wegen unterschiedlicher Krankheitsursachen arbeitsunfähig erkrankt. Am 05. März 2019 führten die Arbeitsvertragsparteien deshalb ein BEM-Gespräch durch ohne bestimmte Maßnahmen festzulegen. Das BEM-Verfahren wurde deshalb am 05. März 2019 abgeschlossen.
Im restlichen Zeitraum des Jahres 2019 (ab 06. März 2019) war der Arbeitnehmer an weiteren 79 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt.
Am 26. Februar 2020 – mithin weniger als zwölf Monate nach Durchführung und Beendigung des vorherigen BEM-Verfahrens am 05. März 2019 – kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich, fristgerecht aus personenbedingten Gründen wegen häufiger Kurzerkrankungen.
Die gegen diese Kündigung eingereichte Kündigungsschutzklage hatte erstinstanzlich Erfolg. Hiergegen wendet sich die beklagte Arbeitgeberin mit ihrer Berufung.
Die Entscheidung
Das LAG Düsseldorf hat die Berufung der Beklagtenseite abgewiesen.
Die Wirksamkeit der Kündigung vom 26.02.2020 scheitere auf der dritten Prüfungsstufe, weil die Kündigung unverhältnismäßig sei.
Weil der Kläger nach dem 05.03.2019 vor Zugang der Kündigung vom 26.02.2020 erneut länger als sechs Wochen wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war, hatte die Beklagte erneut ein BEM durchzuführen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Arbeitgeber nach einem durchgeführten BEM nicht erst nach Ablauf eines Jahres zu einem weiteren BEM verpflichtet. Für die rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines BEM sei es unerheblich, dass seit dem 05.03.2019 bis zum Zugang der Kündigung vom 26.02.2020 unstreitig noch kein ganzes Jahr vergangen ist. Dies ergebe die Auslegung des § 167 II SGB IX.
Der Abschluss eines BEM sei dabei der Tag „Null“ für einen neuen Referenzzeitraum von einem Jahr.. Ein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ habe ein BEM nicht. Es sei erneut durchzuführen, wenn der Beschäftigte nach Abschluss des BEM bzw. der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen wieder länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Eine Begrenzung der rechtlichen Verpflichtung auf eine nur einmalige Durchführung des BEM im Jahreszeitraum des § 167 II SGB IX lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Ausblick
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das LAG Düsseldorf hat die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich von Arbeitgeberseite eingelegt worden ist. Es steht somit zu erwarten, dass das BAG in Kürze die Möglichkeit erhält, die hiesige Rechtsfrage erstmalig höchstrichterlich zu klären.
Das Wichtigste
1. Das LAG Düsseldorf behandelt die höchst praxisrelevante Fragen, unter welchen Voraussetzungen ein erneutes BEM vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung durchzuführen ist und beantwortet diese Frage arbeitnehmerfreundlich, was in der Personalpraxis unbedingt beachtet werden sollte.
2. Da eine höchstrichterliche Klärung der hiesigen Streitfrage noch aussteht, raten wir vorsichtigen Arbeitgebern, sich zunächst bis auf Weiteres an die strengen Vorgaben des LAG Düsseldorf zu halten.
Arbeitnehmern sollte deshalb immer bereits dann ein erneutes BEM angeboten werden, wenn und sobald diese nach Beendigung eines BEM-Verfahrens erneut Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen angesammelt haben.
3. Für die Personalpraxis ist die Erkenntnis wichtig, dass krankheitsbedingte Kündigungen – sofern ausreichende Krankheitszeiten vorliegen – nach Durchführung oder Ablehnung eines BEM zeitnah ausgesprochen werden sollten.
Sollten Sie Fragen zum Thema krankheitsbedingte Kündigung haben, sprechen Sie mich gerne an.
Jens Buchwald
(Rechtsanwalt)
(Fachanwalt für Arbeitsrecht)

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Anders, aber nicht ganz anders – die Befristungsrechtsprechung des BAG

Zu dem sogenannten „Vorbeschäftigungsverbot“ im Rahmen der sachgrundlosen Befristung gab es in den vergangenen Jahren eine große Anzahl von Urteilen.
Die in § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelte Vorschrift, dass eine weitere sachgrundlose Befristung unzulässig ist, wenn zum selben Unternehmen bereits vorher ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, legte das BAG im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht so aus, dass eine Vorbeschäftigung nur dann unschädlich ist, wenn diese lange zurückliegt oder ganz anders geartet war. Die zeitliche Grenze, wann ein solches lange zurückliegendes Arbeitsverhältnis gegeben ist, dürfte bei ca. 20 Jahren liegen.
Das BAG hat bereits entschieden, dass eine Unterbrechung von 15 Jahren nicht ausreichend ist, siehe unser Artikel vom 24.10.2019
https://www.xing.com/communities/posts/arbeitsrecht-fuer-arbeitgeber-1017590823
und eine Unterbrechung von 22 Jahren es gestattet eine neue sachgrundlose Befristung zu vereinbaren, siehe unser Artikel vom 06.09.2019
https://www.xing.com/communities/posts/arbeitsrecht-fuer-arbeitgeber-1017151723
Keine Entscheidung gab es bisher zu der Frage, wann eine Vorbeschäftigung „ganz anders geartet“ und deswegen eine erneute sachgrundlose Befristung möglich ist. Nunmehr lag dem BAG erstmals ein Fall mit dieser Fragestellung vor (Urteil vom 16.9.2020 – Az.: 7 AZR 552/19).
Der Fall
Der Arbeitnehmer hat bis 1988 ein technisches Hochschulstudium absolviert. Von 2008 bis 2010 war er bei dem beklagten Land als Sachbearbeiter tätig. Er wurde nach der Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet. Von 2008 bis 2011 hat der Arbeitnehmer nebenberuflich ein Studium zum Verwaltungsbetriebswirt absolviert. Nach anderweitiger Tätigkeit war er dann von 2015 bis 2017 als Referent im Bereich Betriebssicherheit bei dem beklagten Land tätig. Er wurde nach der Entgeltgruppe 13 TV-L vergütet. Der Arbeitnehmer hat eine Entfristungsklage erhoben und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht gem. § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt.
Die Entscheidung
Das BAG hat der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben, da eine Vorbeschäftigung vorgelegen habe.
Im Rahmen seine Entscheidung hat das BAG insbesondere geprüft, ob die vorherige Tätigkeit als Sachbearbeiter im Verhältnis zur Tätigkeit als Referent im Bereich Betriebssicherheit „ganz anders geartet“ sei. Das Gericht kommt hier zum Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei. Nicht jede Aus- und Weiterbildung führe automatisch zu einer ganz anders gearteten Tätigkeit, vielmehr müsse inhaltlich ein „Bruch in der Erwerbsbiografie“ vorliegen. Sofern eine Fortbildung in Rede stehe, müsse diese – so das BAG weiter – der Erwerbsbiografie eine völlig neue Richtung geben.
Zwar bestehen zwischen der Sachbearbeiter- und der Referententätigkeit Unterschiede; diese seien aus Sicht des BAG aber nicht so erheblich, dass von einer ganz anders gearteten Tätigkeit auszugehen sei.
Der Praxistipp
Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass das BAG versucht den Begriff der „ganz anders gearteten Tätigkeit“ einzugrenzen und deutlich macht, dass eine Ausnahme vom Vorbeschäftigungsverbot nur in absoluten Ausnahmefällen gegeben ist. Leider bleibt offen, wann konkret dennoch Ausnahmefälle vorliegen können.
Als Arbeitgeber sollten Sie sich im Klaren sein, dass es gefährlich ist zu glauben, das Vorbeschäftigungsberbot finde in einem konkreten Fall keine Anwendung. Abgesehen von einer über 20 Jahre zurückliegenden Beschäftigung gibt es keinen klaren weiteren vom BAG entschiedenen Ausnahmefall.
Es kann daher nur dazu geraten werden, den Arbeitnehmer zu einer Vorbeschäftigung zu befragen und nur dann sachgrundlos zu befristen, wenn die Vorbeschäftigung länger als 20 Jahre zurückliegt.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg