Jobben in den Ferien – was aus Arbeitgebersicht zu beachten ist

In den Ferien nur entspannen? Viele Schülerinnen und Schüler haben andere Pläne und wollen ihr Taschengeld durch einen Ferienjob aufbessern.
Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Regelungen des Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (JArbSchG):

Was ist ab welchem Alter erlaubt?

Als Kind gilt iSd JArbSchG, wer noch keine 15 Jahre alt ist. Wer zwischen 15 und 18 Jahren alt ist, ist Jugendlicher (§ 2 JArbSchG).
Kinder dürfen frühesten ab 13 Jahren arbeiten – und dann nur unter Auflagen. Wenn die Eltern zustimmen, dürfen es täglich bis zu zwei Stunden (in der Landwirtschaft drei Stunden) sein. Erlaubt sind nur leichtere Tätigkeiten, wie Zeitungen austragen oder Gartenarbeit. Die Arbeitszeit muss zwischen 8 Uhr und 18 Uhr liegen (§ 5 JArbSchG).

Auch Jugendliche zwischen 15 und 18 dürfen noch nicht alle Tätigkeiten ausüben. So sind von ihnen keine schweren körperlichen oder gefährlichen Arbeiten, etwa mit Chemikalien, zu verlangen. Auch Akkordarbeit, bei der der Lohn direkt vom Arbeitstempo abhängt, ist verboten (§ 22 JArbSchG).

Welche Arbeitszeiten sind möglich?

Grundsätzlich gilt: Jugendliche dürfen nur in der Zeit zwischen 6 Uhr und 20 Uhr beschäftigt werden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen (§ 14 JArbSchG).
Im Bäckerhandwerk und in Konditoreien dürfen 16-Jährige um 5 Uhr beginnen, 17-Jährige in Bäckereien um 4 Uhr (nicht in Konditoreien). In der Landwirtschaft dürfen Jugendliche über 16 Jahre ab 5 Uhr oder bis 21 Uhr tätig sein. Im Gaststätten- und Schaustellergewerbe ist ab 16 Jahre das Arbeiten bis 22 Uhr erlaubt. Auch im Schichtbetrieb dürfen Jugendliche ab 16 Jahre eingesetzt werden. Dann gilt: Sie können bis 23 Uhr arbeiten.
Zwischen Feierabend und Arbeitsbeginn am nächsten Tag müssen zwölf freie Stunden liegen (§ 13 JArbSchG).

Bei einer Arbeitszeit von mehr als 4,5 Stunden müssen Pausen von insgesamt 30 Minuten eingehalten werden. Bei mehr als sechs Stunden sind es 60 Minuten (§ 11 JArbSchG) .

Und es gilt: Jugendliche dürfen nicht mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten. Der Arbeitstag darf nicht länger als acht Stunden sein.
Ausnahme: In der Landwirtschaft, zur Erntezeit, dürfen Jugendliche über 16 Jahre bis zu neun Stunden täglich und bis zu 85 Stunden pro Doppelwoche beschäftigt werden (§ 4 JArbSchG).

Müssen Sie als Arbeitgeber dem jugendlichen Ferienjobber am Wochenende frei geben?
Grundsätzlich ja. Denn für Jugendliche gilt die Fünf-Tage-Woche. Der Samstag ist generell arbeitsfrei, und auch an Sonn- und Feiertagen dürfen Jugendliche nicht jobben (§ 15 JArbSchG).

Auch hier gibt es Ausnahmen in verschiedenen Branchen. So darf etwa in Krankenhäusern, Altersheimen, Verkaufsstellen, Familienhaushalten, Gaststätten, in der Landwirtschaft und im Verkehrswesen am Samstag sowie an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden. Dabei gilt: Jugendliche haben dann Anspruch auf einen anderen freien Tag derselben Woche. Durch Tarifverträge sind weitere Anpassungen möglich (§§ 16 – 18 JArbSchG).

Wie lange darf der Ferienjob dauern?

Während der Schulferien dürfen Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren einen Ferienjob von höchstens vier Wochen im Jahr ausüben (§ 5 IV JArbSchG).
Wie viel Geld dürfen Ferienjobber verdienen?
Viele Ferienjobs werden als „450-Euro-Jobs“ (offiziell bezeichnet als „geringfügige Beschäftigung“) vereinbart. Das heißt, dass die Schüler höchstens 450 Euro pro Monat verdienen dürfen.
Da für unter 18-Jährige kein Mindestlohn gezahlt werden muss, kann der Stundenlohn grundsätzlich frei vereinbart werden.

Und wie ist es bei über 18-Jährigen?

Bei Jobs für über 18-Jährige muss grundsätzlich der Mindestlohn gezahlt werden, also mindestens 8,84 Euro je Stunde.
Der Mindestlohn gilt auch, wenn die Ferienarbeit als 450-Euro-Job ausgeübt wird. Das heißt, dass volljährige Schüler dann maximal 50,90 h im Monat arbeiten dürfen, um unter dieser Einkommensobergrenze zu bleiben.
Bei einem höheren Stundenlohn verringert sich die Anzahl der möglichen, monatlichen Arbeitsstunden entsprechend.

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(Quelle: Die Bundesregierung)

Kann man einem Arbeitnehmer kündigen der im Urlaub ist?

Es hält sich hartnäckig der Irrglaube, dass einem Arbeitnehmer, der sich an einem Urlaubsort befindet, nicht durch Kündigungszustellung an seine Heimatadresse gekündigt werden könne, da er ja nicht von der Kündigung Kenntnis nehmen könne.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 25.04.2018 (2 AZR 493/17) noch einmal darauf hingewiesen, dass eine Kündigung auch dann wirksam zugehe, wenn sich der Arbeitnehmer im Ausland aufhalte. Ab diesem Zeitpunkt laufe daher auch die 3-wöchige Klagefrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
Das BAG führt weiter aus, dass der Arbeitnehmer auch nicht die nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG erfolgreich beantragen könne. Nach dieser Vorschrift kann eine Klage trotz Verpassens der Klagefrist zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer, obwohl er sorgfältig gehandelt hat, gehindert gewesen ist, die Klage rechtzeitig zu erheben.

Diese Sorgfalt – so das BAG – erfordere bei einem Aufenthalt im Ausland, dass der Arbeitnehmer dafür zu sorgen habe, dass er vom Zugang einer Kündigung im Inland zeitnah Kenntnis erhalte, sodass der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall die Kündigungsschutzklage verlor.

Das BAG weist zusätzlich darauf hin, dass der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet war, den Arbeitnehmer telefonisch über den Ausspruch der Kündigung vorzuwarnen. Auch musste der Arbeitgeber den Umschlag, der die Kündigung enthielt, nicht besonders kennzeichnen.

Praxistipp

Auch während der Krankheit eines Arbeitnehmers kann im Übrigen eine Kündigung ausgesprochen werden. In beiden Fällen (Urlaub/Krankheit) raten wir dringend dazu, Kündigungen nur durch einen Boten aus der Firma zuzustellen. Alle anderen Zugangsformen bergen Risiken, die zu erheblichen finanziellen Konsequenzen und im Extremfall zum Verlust des Kündigungsschutzprozesses für den Arbeitgeber führen können.

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Muss ein Arbeitnehmer Geld zurückzahlen, das er irrtümlich von seinem Arbeitgeber erhalten hat?

Immer wieder kommt es aus Versehen zu Überzahlungen im Arbeitsverhältnis – Gehälter werden falsch berechnet oder vollkommen zu Unrecht gezahlt (z.B. nach Ablauf der 6-Wochen-Frist bei Krankheit oder während der Elternzeit). Aus Sicht des Arbeitgebers scheint es klar zu sein, dass der Arbeitnehmer diese Überzahlungen erstatten muss, aber ist das wirklich so?

1. Es ist bereits möglich im Arbeitsvertrag zu regeln, dass zu viel erhaltenes Entgelt ohne den Einwand der Entreicherung (dazu siehe unten 3.) zurückzuzahlen ist. In diesem Fall besteht ein Rückzahlungsanspruch, der auch eingeklagt werden kann. Es kann allerdings selbst dann, wenn einem später ein entsprechendes Urteil des Arbeitsgerichtes vorliegt, schwierig sein, das Geld tatsächlich zurückzubekommen. Hat der Arbeitnehmer kein Geld, kann eine Vollstreckung des Urteils nur unter Berücksichtigung der sogenannten Pfändungsfreigrenzen erfolgen. Ist der Arbeitnehmer verheiratet und hat Kinder, so können diese Grenzen so hoch sein, dass kein pfändbares Einkommen mehr verbleibt.

2. Wenn Sie keine Vereinbarung im Arbeitsvertrag haben, dass überzahltes Entgelt zu erstatten ist, so ergibt sich der Rückzahlungsanspruch aus Gesetz (§ 812 BGB – Ungerechtfertigte Bereicherung). Allerdings kann der Arbeitnehmer dann gegen Ihren Rückzahlungsanspruch einwenden, dass der das Geld nicht mehr habe, also „entreichert“ sei. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer das zu viel gezahlte Geld verbraucht hat und es nicht ausgegeben hätte, wenn er von der Überzahlung gewusst hätte.

Sofern es sich um eine geringfügige Überzahlung handelt (nicht mehr als 10% des Monatslohnes), geht das Bundesarbeitsgericht regelmäßig davon aus, dass das Geld für den Lebensunterhalt verbraucht wurde und nicht mehr vorhanden ist. Ein Rückzahlungsanspruch ist dann ausgeschlossen.

3. Achten muss man als Arbeitgeber auch darauf, dass man mit der Geltendmachung überzahlter Beträge nicht zu lange wartet. Solche Ansprüche können wie andere Ansprüche auch verjähren und außerdem wegen einer Ausschlussfrist verfallen. Da typische Ausschlussfristen hier eine Frist von 3 Monaten ab Fälligkeit des Anspruches vorsehen, sollte man sich mit dem nachweisbaren Rückzahlungsverlangen beeilen.

4. Kein Rückzahlungsanspruch besteht im Übrigen auch im folgenden Fall: Wenn man sich im laufenden (ungekündigten) Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer darauf einigt, dass der Urlaub nicht genommen, sondern ausgezahlt wird (da es z.B. aufgrund von einem hohen Auftragseingang derzeit schwierig ist Urlaub zu gewähren), dies dann tut und der Arbeitnehmer später aber die Vereinbarung bereut und doch seinen Urlaub nehmen will, so muss der Urlaub gewährt werden, weil die Vereinbarung zur Auszahlung des Urlaubes gegen das Bundesurlaubsgesetz verstößt. Eine Rückzahlung des ausgezahlten Urlaubes ist ebenfalls nicht möglich, weil Beträge, die unter Verstoß gegen ein Gesetz gezahlt werden, nicht zurückverlangt werden können (§ 817 BGB).

Praxistipp

Wir raten zunächst einmal dringend dazu, den Rückzahlungsanspruch bei Überzahlung sowie die Unzulässigkeit der Berufung auf die Entreicherung wirksam im Arbeitsvertrag zu regeln. Hier sind wir gerne behilflich – sprechen Sie uns an!
Ferner sollte Sie der vorliegende Artikel zusätzlich motivieren Abrechnungen stets genau zu überprüfen, da es – wie oben ausgeführt – schwierig sein kann, das Geld vom Arbeitnehmer zurückzuerhalten.

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Strenge Schriftform für Arbeitsverträge? Vorsicht bei Altersgrenzen!

Wir möchten Sie heute auf eine höchst praxisrelevante Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25.10.2017, 7 AZR 632/15 zu weit verbreiteten Altersgrenzenregelungen, die eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters vorsehen, hinweisen.

Der Fall

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis wegen Erreichens des Rentenalters des Klägers geendet hat. Der am 07.06.1949 geborene Kläger war seit dem 01.07.2009 als Facharzt für Radiologie für die Beklagte tätig. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält eine Altersgrenzenregelung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente erreicht, endet. Der Kläger hatte diesen Arbeitsvertrag im Mai 2009 unterzeichnet, der Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnete den Arbeitsvertrag einen Tag später.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein von beiden Parteien unterzeichnetes Arbeitsvertragsexemplar ausgehändigt wurde.
Der Kläger hält die arbeitsvertragliche Altersgrenzenregelung mangels Einhaltung der Schriftform gemäß § 14 IV TzBfG für unwirksam.

Das ArbG Düsseldorf wies die Entfristungsklage des Klägers ab. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung blieb ebenfalls erfolglos. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner Revision zum Bundesarbeitsgericht.

Der Hintergrund

Für Arbeitsverträge gilt trotz der Pflichten aus dem Nachweisgesetz kein gesetzliches Schriftformerfordernis.
Bei einer Altersgrenzenregelung, die eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters vorsieht und die in tausenden Arbeitsverträgen enthalten ist, handelt es sich nach der Rechtsprechung um eine Befristung des Arbeitsvertrages.
Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit jedoch gemäß § 14 IV TzBfG der Schriftform. Ein Verstoß gegen dieses Schriftformgebot führt wiederum dazu, dass der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

Die Entscheidung

Die Revision des klagenden Arbeitnehmers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.

§ 14 IV TzBfG setze unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks neben der Einhaltung der äußeren Form auch voraus, dass die Befristungsabrede durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist. Das Angebot und die Annahme der Befristungsabrede müssten der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich zugehen.

Somit ist die gesetzliche Schriftform des § 14 IV TzBfG aus Sicht des BAG nicht schon gewahrt, wenn eine einheitliche Vertragsurkunde von beiden Parteien vor Vertragsbeginn unterzeichnet worden ist. Hat der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber vorformulierte, aber noch nicht unterschriebene Vertragsurkunde unterzeichnet an den Arbeitgeber zurückgegeben, genüge zur Wahrung der Schriftform für die Befristung nicht, dass der Arbeitgeber die Vertragsurkunde seinerseits unterzeichnet. Vielmehr müsse seine schriftliche Annahmeerklärung dem Arbeitnehmer auch zugegangen sein.

Vorliegend sei nicht festgestellt, dass die schriftliche Annahmeerklärung der Beklagten dem Kläger vor Vertragsbeginn zugegangen ist.

Das Wichtigste

Jeder Arbeitsvertrag, der eine Altersgrenzenregelung enthält, bedarf, da es sich hierbei um eine Altersbefristung handelt, gemäß § 14 IV TzBfG der Schriftform.
Grundsätzlich sollten gut gemachte Arbeitsverträge eine solche Altersgrenzenregel enthalten, da das Arbeitsverhältnis ansonsten trotz des Erreichens des Rentenalters des Arbeitnehmers nicht automatisch endet, sondern fortbesteht. Eine Kündigung dürfte in solchen Konstellationen häufig schwierig sein, da es regelmäßig an einem Kündigungsgrund fehlen dürfte.
Durch die besprochene Entscheidung des BAG wird somit für sämtliche Arbeitsverträge quasi durch die Hintertür ein strenges Schriftformerfordernis eingeführt.

Das gesetzliche Schriftformerfordernis findet nur dann keine Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis insgesamt einem einschlägigen Tarifvertrag unterfällt, der eine Befristung vorsieht.
Praxistipp

Klagt der Mitarbeiter rechtzeitig auf Feststellung der Unwirksamkeit der Altersbefristung sind Sie als Arbeitgeber darlegungs- und beweisverpflichtet, was den Nachweis der Schriftform der Befristung und den Zugang der diesbezüglichen Willenserklärungen angeht.
Arbeitgebern ist deshalb dringend zu raten, bereits bei bzw. vor Vertragsschluss entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der Nachweis erbracht werden kann, dass der vom Arbeitgeber unterzeichnete Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer vor Arbeitsbeginn zugegangen ist.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, sprechen Sie mich gerne per E-Mail an (jb@scharf-und-wolter.de).

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LAG Niedersachsen: Kann ein Aufhebungsvertrag nach § 312g Abs. 1 BGB vom Arbeitnehmer widerrufen werden?

Das LAG Niedersachsen hat sich mit Urteil vom 07.11.2017 (10 Sa 1159/16, zitiert nach juris) mit der Frage zu beschäftigen gehabt, inwiefern ein Arbeitnehmer einen außerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers geschlossenen Aufhebungsvertrag gem. § 312g Abs. 1 BGB widerrufen kann.

Der Hintergrund

§ 312g Abs. 1 BGB gewährt dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB.
Nach § 312b Abs. 1 Ziff. 1. BGB sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge solche, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.

Der Fall

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, der in der Wohnung des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde. Der Arbeitnehmer ist der Auffassung, den Aufhebungsvertrag wirksam gemäß § 312g Abs. 1 BGB widerrufen zu haben.
Das Arbeitsgericht Celle hat die Klage abgewiesen und entschieden, dass der Aufhebungsvertrag nicht durch Widerruf beseitigt werden konnte. Auch nach der gesetzlichen Neuregelung aus dem Jahre 2014 widerspreche es der Gesetzessystematik, §§ 312 ff. BGB auf arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarungen anzuwenden. Dagegen spreche schon die im Falle fehlender Widerrufsbelehrung über ein Jahr lang laufende Widerrufsfrist; sie lasse sich nicht mit dem allgemeinen Beschleunigungsinteresse arbeitsrechtlicher Beendigungsstreitigkeiten vereinbaren.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum LAG Niedersachsen eingelegt und argumentiert, bei typisierender Betrachtung der im Arbeitsverhältnis bestehenden Interessenlagen, sei dem Arbeitnehmer für in seiner Wohnung geschlossene Aufhebungsverträge ein Widerrufsrecht zuzubilligen. Die gesetzliche Widerrufsfrist stehe dem nicht entgegen.

Die Entscheidung

Das LAG Niedersachsen hat die Berufung zurückgewiesen.
Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag sei kein nach § 312g Abs. 1 BGB widerruflicher Vertrag.
Zwar sei der Arbeitnehmer „Verbraucher“ im Sinne von § 13 BGB und sei der Arbeitsvertrag Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB.
Wie allerdings das Bundesarbeitsgericht zu der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Rechtslage erkannt hat, handele es sich bei dem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag nicht um ein Haustürgeschäft. Das „Haustürwiderrufsrecht“ nach §§ 312 ff. BGB alter Fassung war vertragstypenbezogenes Verbraucherschutzrecht und fand nur auf „besondere Vertriebsformen“ Anwendung, nicht jedoch auf Verträge, die wie der Arbeitsvertrag und der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag keine Vertriebsgeschäfte sind.
Daran habe sich durch § 312g BGB für die Zeit seit dem 13. Juni 2014 nichts geändert.
Gegen ein anderes Verständnis spreche der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zweck dieser Regelungen, die in erster Linie Fälle der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen betreffen.

Wie aus dem amtlichen Hinweis hervorgehe, diene Untertitel 2 (§§ 312 ff. BGB) nach wie vor der Umsetzung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Weder finde die Richtlinie auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge Anwendung, noch seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie über deren Anwendungsbereich hinaus auch die arbeitsrechtlichen Beendigungsvereinbarungen einem Widerrufsrecht zugänglich machen wollte.
Dies treffe auf die seit Juni 2014 geltende Neufassung gleichermaßen zu.
Zudem habe der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag auch keine entgeltliche Leistung der Arbeitgeberin zum Gegenstand. Dies wäre gemäß § 312 Abs. 1 BGB Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 312 bis 312h BGB.
Der Aufhebungsvertrag sehe jedoch keine arbeitgeberseitige Gegenleistung vor. Soweit § 2 des Aufhebungsvertrages die Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses und die Aushändigung der Arbeitspapiere regelt, sei dies keine Gegenleistung, sondern eine ohnedies bestehende gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers.
Das Wichtigste
Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag kann nach der Rechtsprechung des LAG Niedersachsen nicht nach § 312g Abs. 1 BGB vom Arbeitnehmer widerrufen werden.
Das LAG Niedersachsen hat jedoch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob Aufhebungsverträge nach der seit Juni 2014 geltenden Rechtslage widerruflich sind, zugelassen.

Von Klägerseite wurde zwischenzeitlich Revision eingelegt, die beim BAG unter dem Az. 6 AZR 75/18 geführt wird. Wird werden Sie über den weiteren Fortgang der Angelegenheit informieren.
Die Entscheidung ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen, da sie einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausweitung des Widerrufsrechtes für Verbraucher bei besonderen Vertriebsformen auf den arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag eine klare Absage erteilt.
Vorsichtigen Arbeitgebern sei jedoch zu raten, bis zur abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage, Aufhebungsverträge mit Arbeitnehmern möglichst in den eigenen Geschäftsräumen abzuschließen, um ein Widerrufsrecht des Arbeitnehmers sicher ausschließen zu können.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg