Absichtliches Anhusten von Kollegen – Fristlose Kündigung?

In dieser Woche möchten wir Ihnen einmal wieder einen Fall aus dem Arbeitsalltag vorstellen. Erneut spielen hierbei die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen eine wichtige Rolle.
Das LAG Düsseldorf hatte sich in einem aktuellen Urteil vom 27.04.2021, 3 Sa 646/20, Quelle: Pressemitteilung LAG Düsseldorf, mit der Konstellation auseinanderzusetzen, dass ein Arbeitnehmer einen Kollegen absichtlich angehustet und ihm eine Corona-Erkrankung gewünscht haben soll.
Was war passiert?
Der Kläger war seit dem 01.08.2015 zunächst als Auszubildender und seit dem 17.01.2019 als Jungzerspannungsmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Am 11.03.2020 aktivierte die Beklagte im Hinblick auf das Auftreten des Coronavirus ihren internen Pandemieplan. Zu den Maßnahmen zählten u.a. die Aufforderung Abstand zueinander zu halten, Hygienemaßnahmen sowie das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel als Verhaltensregel. Die Belegschaft wurde in verschiedenen E-Mails und einer Abteilungsversammlung informiert. Die Verhaltens- und Hygieneregeln wurden zudem auf Zetteln im Betrieb verteilt.
Die Arbeitgeberin wirft dem Kläger vor, sich mehrfach nicht an die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände gehalten zu haben. Er habe ihr in Gesprächen signalisiert, dass er die Maßnahmen „nicht ernst nehme“ und diese nicht einhalten werde. Der Kläger habe einen Mitarbeiter gegen seinen Willen am Arm angefasst. Am 17.03.2020 habe er schließlich einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet. Sinngemäß habe der Kläger gesagt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme. Ob der Kläger tatsächlich Corona habe, wisse sie nicht.
Nach Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem Kläger am 03.04.2020 außerordentlich fristlos.
Der Kläger hat behauptet, er habe andere Personen keinen Infektionsgefahren ausgesetzt und, soweit es ihm möglich gewesen sei, die Sicherheitsabstände und Hustetikette eingehalten. Am 17.03.2020 habe er einen Hustreiz verspürt und deshalb spontan husten müssen. Dabei habe er ausreichenden Abstand zum Kollegen gehabt. Als der andere Kollege sich belästigt gefühlt und dies geäußert habe, habe er entgegnet, der Kollege möge „chillen, er würde schon kein Corona bekommen“.
Die Entscheidung
Die 3. Kammer des LAG Düsseldorf hat der Kündigungsschutzklage nach der Vernehmung mehrerer Zeuginnen und Zeugen stattgegeben, weil die durchgeführte Beweisaufnahme zu Lasten der Beklagten ausging. Die beklagte Arbeitgeberin habe nach der umfangreichen Beweisaufnahme den von ihr behaupteten Sachverhalt nicht beweisen können. Da die Arbeitgeberin für den Kündigungsgrund die Beweislast trägt, ging dies zu ihren Lasten. Die Kündigungsschutzklage hatte somit aus tatsächlichen Gründen Erfolg.
Für die Praxis nützlich und interessant sind jedoch die Rechtsausführungen des LAG Düsseldorf:
So hat das Gericht betont, dass es die Beweisaufnahme durchgeführt hat, weil die von der Beklagten behauptete Version des Sachverhalts am 17.03.2020 im konkreten Fall eine fristlose Kündigung hätte rechtfertigen können.
Mit anderen Worten: Hätte die Beklagte den von ihr behaupteten Sachverhalt (absichtliches Anhusten nebst abfälliger Äußerung) beweisen können, hätte das Gericht die Kündigung für rechtmäßig erachtet und die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Das Wichtigste
Wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzt nach Ansicht des LAG Düsseldorf in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen.
Wenn der Arbeitnehmer dann auch im Übrigen deutlich mache, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genügte auch keine Abmahnung. Vielmehr sei ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung in dieser Konstellation gegeben.
Zusammengefasst: Das absichtliche Anhusten eines Kollegen und die geäußerte Hoffnung, der Kollege möge an Corona erkranken können eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Weiterführende Hinweise
Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung genießen besonderen Kündigungsschutz:
Während der Amtszeit können Sie als Arbeitgeber den JAV-Mitgliedern grundsätzlich nur außerordentlich kündigen (vgl. § 15 I KSchG).
Hierbei bedarf es zudem der vorherigen Zustimmung des Betriebsrates gem. § 103 I BetrVG. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung, können Sie als Arbeitgeber erst kündigen, wenn sie die Zustimmung des Betriebsrats vom Arbeitsgericht rechtskräftig haben ersetzen lassen.
Bei Fragen und Anmerkungen sprechen Sie mich gerne an (jb@scharf-und-wolter.de).
Jens Buchwald
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Ist die Ladung zur Betriebsratssitzung auch durch ein einfaches BR-Mitglied wirksam möglich?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 28.07.2020, 1 ABR 5/19) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Ladung zu einer Betriebsratssitzung auch durch ein einfaches Mitglied des Betriebsrates (BR) erfolgen kann.

Was war passiert?

Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Einleitung von Zustimmungsersetzungsverfahren anlässlich der geplanten Umgruppierung mehrerer Mitarbeiter.

Die Arbeitgeberin ersuchte den BR mit Schreiben vom 18.08.2015 um die Zustimmung zur Umgruppierung bestimmter Mitarbeiter.

Bereits zuvor hatte das BR-Mitglied P mit E-Mail vom 14.08.2015 für eine BR-Sitzung am 17.08.2015 eingeladen. Der Texte der Einladung lautete auszugsweise:

„Betreff: Einladung zur Betriebsratssitzung am Montag 17.08.2015 um 14.00 Uhr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Liste der Eingruppierungen der Firma R ist überarbeitet. Über deren Ergebnis und zum weiteren Vorgehen bitte ich Euch alle an der Sitzung teilzunehmen.
Bitte schreibt mir kurz ob ich mit Eurer Teilnahme rechnen darf, damit Ersatzmitglieder eingeladen werden können.

Liebe Grüße
P“

Zu diesem Zeitpunkt war der BR-Vorsitzende längerfristig erkrankt. Der stellvertretende BR-Vorsitzende war für ein verlängertes Wochenende (vom 14.-17.8.2015) im Urlaub.

In der BR-Sitzung am 17.08.2015 verweigerten die anwesenden BR-Mitglieder die Zustimmung zur Umgruppierung. Der BR beschloss einstimmig, „nach Eingang der Aufforderung nach Zustimmung nach § 99 BetrVG“ diese abzulehnen.
Mit einem u.a. durch den stellvertretenden BR-Vorsitzenden unterzeichneten Schreiben vom 20.08.2015 teilte der BR mit, er verweigere die Zustimmung zu den Umgruppierungen.

Die Arbeitgeberin führte die Umgruppierung gleichwohl durch, ohne eine gerichtliche Zustimmungsersetzung beantragt zu haben. Sie hält den Beschluss für unwirksam und die Zustimmung daher für erteilt.

Die Entscheidung

Der Antrag des BR, der Arbeitgeberin aufzugeben, das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 IV BetrVG bezogen auf die Umgruppierungen bestimmter Arbeitnehmer einzuleiten, blieb in sämtlichen Instanzen erfolglos.

Das BAG führte im Rahmen seiner Entscheidung aus, dass der BR die Zustimmung nicht binnen der Frist von einer Woche nach Zugang des Schreibens vom 18.08.2015 wirksam verweigert habe. Der mit Schreiben vom 20.08.2015 erklärten Zustimmungsverweigerung liege kein wirksamer Beschluss des BR zugrunde. Die Vorinstanzen seien zutreffend davon ausgegangen, dass der vom BR in seiner Sitzung am 17.08.2015 gefasste Beschluss nichtig ist.

Ob sich dies schon aus dem Umstand ergebe, dass der Beschluss noch vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens nach § 99 I 1 BetrVG getroffen wurde, ließ das BAG offen.

Der Beschluss vom 17.08.2015 sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Einberufung der BR-Sitzung und Ladung hierzu nach § 29 II 1, 3 BetrVG fehle.

Die Einberufung der Sitzung des BR am 17.08.2015 und die Ladung hierzu seien weder durch den BR-Vorsitzenden noch durch dessen Stellvertreter erfolgt. Vielmehr habe das einfache BR-Mitglied P mit E-Mail vom 14.08.2015 die Sitzung einberufen.

Ob – abweichend von § 29 II 1, 3 BetrVG – einem BR auch ohne Einberufung einer Sitzung und Ladung durch dessen Vorsitzenden ein Recht zum Selbstzusammentritt zustehen kann, bedürfe vorliegend keiner Entscheidung. Da zum Zeitpunkt der Sitzung des BR am 17.08.2015 noch kein Zustimmungsgesuch zu den beabsichtigten Umgruppierungen beim BR eingegangen war, bestand jedenfalls kein dringender Handlungsbedarf für eine Beschlussfassung.

Bei den Regelungen in § 29 II 1, 3 BetrVG handele es sich um wesentliche Verfahrensvorschriften. Der Gesetzgeber habe dem BR-Vorsitzenden in Satz 1 der Norm ausdrücklich die Pflicht zugewiesen, nach der konstituierenden Sitzung des BR dessen weitere Sitzungen einzuberufen und die anderen BR-Mitglieder hierzu zu laden. Durch die Beschränkung nicht nur des Einberufungs-, sondern auch des Ladungsrechts auf die Person des Vorsitzenden solle eine ordnungsgemäße Arbeit des BR gewährleistet werden. Der Vorsitzende lege im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens sowohl Zeitpunkt als auch Ort der Sitzung fest und habe durch die Ladung der BR-Mitglieder sicherzustellen, dass diese die Möglichkeit haben, an der Sitzung teilzunehmen. Dadurch lenke er die inhaltliche Arbeit des BR. Könnte jedes BR-Mitglied eine Sitzung einberufen und zu dieser laden, bestünde die Gefahr, dass eine strukturierte und damit zielorientierte Arbeit des BR nicht mehr gewährleistet wäre. Auch § 29 III BetrVG zeige, dass den Verfahrensvorschriften in § 29 II 1, 3 BetrVG eine besondere Bedeutung zukomme. Danach kann grundsätzlich nicht das einzelne BR-Mitglied die Einberufung einer Sitzung erzwingen, sondern nur ein an der Gesamtgröße des BR orientiertes Quorum.

Ob die Verstöße nachträglich geheilt werden können, konnte das BAG im Ergebnis dahinstehen lassen.

Nach dem Zweck der verletzten Verfahrensvorschriften käme eine nachträgliche Heilung allenfalls dann in Betracht, wenn – was vorliegend nicht der Fall war – alle (ggf. durch Ersatzmitglieder vertretene) BR-Mitglieder zur Sitzung des BR am 17. August 2015 erschienen wären. Anders als im Fall einer fehlenden oder fehlerhaften Tagesordnung bei einer durch den Vorsitzenden erfolgten Einberufung einer Sitzung des BR und der Ladung hierzu reiche es nicht aus, dass nur die beschlussfähig Erschienenen einen einstimmigen Beschluss fassen. Um die ordnungsmäße Willensbildung des BR und die Teilnahme an den Entscheidungen des Gremiums durch das einzelne gewählte Mitglied zu gewährleisten, könnte eine Heilung dieses Fehlers daher nur dann erfolgen, wenn der BR bei der Sitzung vollzählig wäre.

Hinweis

Immer wieder machen Betriebsräte Rechte geltend, die ihnen gar nicht zustehen oder verlangen eine Mitbestimmung, obwohl ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Wenn Sie hier auf der sicheren Seite sein und den BR in geeigneten Fällen in die Schranken weisen wollen, so kommen Sie gerne auf uns zu. Wir beraten und vertreten Arbeitgeber bei allen Fragen, die die Zusammenarbeit mit dem BR betreffen.

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Damoklesschwert BEM-Verfahren

Die Abkürzung BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement) erlangte in den letzten Jahren immer größere Bedeutung. Geregelt in § 167 Abs. 2 SGB IX gilt es trotz der Verortung im SGB IX nicht nur für schwerbehinderte Menschen sondern für alle Arbeitnehmer.

Dort ist geregelt, dass immer dann, wenn im zurückliegenden Jahr längere Krankheitszeiten als 6 Wochen aufgetreten sind, ein BEM durchzuführen ist. In dessen Rahmen ist u.a. festzustellen, an welchen Krankheiten der Arbeitnehmer leidet, ob diese Krankheiten in Zusammenhang mit der zu leistenden Arbeit stehen und was ggf. (z.B durch eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes) getan werden kann, damit in Zukunft keine Krankheitszeiten mehr auftreten.

Sanktionen bei Nichtdurchführung des BEM sind im Gesetz nicht geregelt – also alles gut? Leider nicht! Das BAG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführtes BEM zur Folge hat, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist vor dem Arbeitsgericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen eine krankheitsbedingte Kündigung darzulegen und zu beweisen hat,
-dass ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM erfolglos gewesen wäre;
-dass es kein milderes Mittel anstelle der ausgesprochenen krankheitsbedingten Kündigung gibt (z.B. eine Rehmaßnahme und ggf. zusätzlich eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes;
-dass es keinen anderen Arbeitsplatz im Unternehmen gibt, auf dem der Arbeitnehmer ggf. nach Änderung der Arbeitsbedingungen hätte beschäftigt werden können.

Das BAG macht zwar in diesen Fällen stets deutlich, dass ein nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführtes BEM nicht automatisch zur Unwirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung führe, tatsächlich ist es aber für jeden Arbeitgeber nahezu unmöglich die o.g. Darlegungslast zu erfüllen, so dass am Ende dennoch stets die Unwirksamkeit der Kündigung steht.

Das BAG und auch die Landesarbeitsgerichte haben in der Vergangenheit bereits einige Hürden für ein ordnungsgemäßes BEM aufgebaut, indem sie viele formale Anforderungen an den ersten Schritt, die Einladung an den Arbeitnehmer gestellt haben.

In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg eine weitere Schwierigkeit hinzugefügt (Urteil vom 18.02.2020 – 7 Sa 124/19).

Der Fall

Die Arbeitnehmerin ist schwerbehindert und hatte in den letzten sechs Jahren vor Ausspruch der Kündigung im Herbst 2017 erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten angehäuft: in 2011 = 32 Arbeitstage, 2012 = 25 Arbeitstage, 2013 = 42 Arbeitstage, 2014 = 52 Arbeitstage, 2015 = 209 Arbeitstage sowie 2016 = 197 Arbeitstage und schließlich 2017 = 201 Arbeitstage.

Der Arbeitgeber lud die Arbeitnehmerin mit einem Einladungsschreiben zu einem BEM-Gespräch ein und teilte ihr mit, dass an diesem Termin eine Führungskraft, ein Betriebsratsmitglied und die Schwerbehindertenvertretung teilnehmen werden.

Weiter wurde der Arbeitnehmerin erläutert, dass vor dem BEM-Gespräch noch ein „positives Leistungsprofil“ über ihre Einsatzfähigkeit durch den Werksarzt eingeholt werden müsse. Die Arbeitnehmerin sagte den Termin wegen Erkrankung ihres Kindes ab und wurde in der Folgezeit mit inhaltlich identischen Einladungsschreiben zu weiteren BEM-Gesprächen eingeladen. Auch diese Einladungen sagte die Arbeitnehmerin ab.

Nach Zustimmung des Integrationsamtes zur beabsichtigten Kündigung sprach der Arbeitgeber dann die krankheitsbedingte Kündigung wegen der o.g. erheblichen krankheitsbedingter Fehlzeiten aus. Die Arbeitnehmerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Hiergegen wendet sich der Arbeitgeber mit der Berufung zum LAG Nürnberg.

Die Entscheidung

Auch das LAG gab der Arbeitnehmer Recht und stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest.

Dies begründete das Gericht insbesondere damit, dass Arbeitgeberin das BEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet habe.

Die Einladung zu einem BEM-Gespräch – so das LAG – müsse den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen (vgl. § 167 Abs. 1 SGB IX). Folgende Voraussetzungen seien einzuhalten:

-Hinweise auf die Ziele des BEM-Verfahrens;
-Erläuterung von Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten;
-Mitbestimmungsmöglichkeit über den Teilnehmerkreis am BEM-Verfahren.

Gegen letztere Voraussetzung habe nach Meinung des Gerichtes der Arbeitgeber bei der Einladung zum BEM-Gespräch verstoßen, denn in den Einladungsschreiben habe der Arbeitgeber einseitig das weitere Prozedere und den Teilnehmerkreis bestimmt. Letzterer bestehe hier aus dem Personalreferent, der Führungskraft, einem Betriebsratsmitglied und der Schwerbehindertenvertretung.

Praxistipp

Krankheitsbedingte Kündigung sind ohnehin schon nicht besonders einfach vor dem Arbeitsgericht durchzubringen. Die Formalien des BEM-Verfahrens erschweren diese Situation zusätzlich.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das BEM auch nur dann ordnungsgemäß durchgeführt ist, wenn der Arbeitnehmer vorab in die Verarbeitung seiner (besonders sensiblen Daten) eingewilligt hat. Gab es keine vorherige Einwilligung oder war diese unwirksam, birgt dies weitere Risiken für die spätere krankheitsbedingte Kündigung.

Wenn Sie Unterstützung für die Erstellung einer solchen Einwilligungen oder einer BEM-Einladung bzw. eine Beratung im Kontext der häufigen Erkrankung eines Mitarbeiters benötigen, so kommen Sie gerne auf mich zu.

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Die Verjährung von Urlaubsansprüchen – Rettungsanker für Arbeitgeber?

Wir hatten zuletzt mehrfach über die Problematik des Verfalls von Urlaub und die diesbezüglich nach neuerer Rechtsprechung bestehende arbeitgeberseitige Hinweisobliegenheit berichtet.

In diesem Zusammenhang hatte das BAG nunmehr darüber zu entscheiden, ob Urlaub, der mangels arbeitgeberseitiger Erfüllung der Hinweisobliegenheit nicht verfallen konnte, denn zumindest der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB unterliegt.

Der rechtliche Hintergrund

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat der Neunte Senat des BAG verschiedentlich unionsrechtskonform ausgelegt.

Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) hat das BAG ausgeurteilt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor aufgefordert hat, seinen konkret bezifferten, restlichen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Fall

Die Klägerin war über viele Jahre hinweg beim Beklagten beschäftigt und hatte im Kalenderjahr Anspruch auf 24 Arbeitstage Erholungsurlaub. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31.07.2017.

Mit Schreiben vom 01.03.2012 bescheinigte der Beklagte der Klägerin, dass der „Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren“ am 31.03.2012 nicht verfalle, weil sie ihren Urlaub wegen hohen Arbeitsaufwandes nicht habe antreten können.

In den Jahren 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin an insgesamt 95 Arbeitstagen Urlaub.
Mit der am 06.02.2018 erhobenen Klage hat die Klägerin u.a. die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren verlangt.

Im Verlauf des Prozesses hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat geltend gemacht, für die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung die Klägerin verlange, sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen.

Das LAG Düsseldorf ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat der Klage insofern stattgegeben. Es hat den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2016 verurteilt. Das LAG Düsseldorf hat hierbei festgestellt, dass der Urlaubsanspruch des Vorjahres bei Nichterfüllung der Mitwirkungsobliegenheit durch den Arbeitgeber jeweils zu dem Urlaubsanspruch hinzutrete, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.

Der Arbeitgeber könne das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren nur dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.

Die Entscheidung des BAG

Die Urlaubsansprüche konnten nach Auffassung des BAG jedenfalls nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlösche der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert habe, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen habe, dass dieser andernfalls verfallen kann. Diese Obliegenheiten habe der Beklagte nicht erfüllt.

Für den Neunten Senat des BAG ist es somit entscheidungserheblich, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren.

Vor diesem Hintergrund hat das BAG mit Beschluss vom 29. September 2020 (9 AZR 266/20 (A)) den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.

Das Wichtigste

Die Rechtsfrage der Verjährung von Urlaubsansprüchen, die wegen Nichterfüllung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungsobliegenheit nicht verfallen konnten, bleibt somit einstweilen ungeklärt.

Praxistipps

Vorsichtigen Arbeitgebern sei deshalb dringend geraten, die von der neuen Rechtsprechung entwickelten Hinweispflichten ernst zu nehmen und nachweisbar zu erfüllen.

Da sich das aktuelle Urlaubsjahr langsam dem Ende zuneigt, sei Arbeitgebern dringend empfohlen, ihren Arbeitnehmern nachweislich in Text- oder Schriftform die konkret noch offenen Resturlaubsansprüche für das Jahr 2020 mitzuteilen und diese Arbeitnehmer aufzufordern, ihren Resturlaub noch im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen, da die Urlaubsansprüche ansonsten verfallen.

Auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona Pandemie sei es Arbeitgebern dringend angeraten, Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2020 (oder gar noch aus Vorjahren) abzubauen und nicht ins Jahr 2021 zu übertragen. Ansonsten könnte eine – etwaig notwendig werdende – Einführung von Kurzarbeit erheblich verzögert bzw. erschwert werden, da zunächst vorrangig übertragene Resturlaubsansprüche abgebaut werden müssten.

Grundsätzlich ist bei der Formulierung von Arbeitsverträgen stets auf eine Differenzierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub zu achten. In diesem Zusammenhang sollte beispielsweise der Verfall des vertraglichen Mehrurlaubes abweichend vom gesetzlichen Mindesturlaub geregelt werden.

Bei Fragen und Anmerkungen stehen wir gerne zur Verfügung.

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Anspruch auf Homeoffice – Kommt das Mobile-Arbeit-Gesetz doch nicht?

Ich möchte Ihnen aus tagesaktuellem Anlass ein kurzes Update zum letztwöchigen Artikel meines Kollegen Herrn Dr. Scharf geben.

Mein Kollege hatte in seinem Artikel in der vergangenen Woche angekündigt:

„Außerdem wird der Bundesarbeitsminister in den nächsten Monaten einen Gesetzesentwurf zum Homeoffice vorlegen, in dem aller Voraussicht nach ein Anspruch auf Tätigkeit im Homeoffice unter bestimmten Voraussetzungen enthalten sein wird. Es bleibt also spannend!“

Der rechtliche Hintergrund

Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode hält fest, dass zur Förderung und Erleichterung von mobiler Arbeit ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden soll.

Wörtlich heißt es auf Seite 41 des Koalitionsvertrags:

„Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik. Auch die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen.“

Der Gesetzesentwurf – Das Mobile Arbeit Gesetz

Bereits im Laufe des vergangenen Wochenendes nahm das Thema „Anspruch auf Homeoffice“ erheblich an Fahrt auf.
Bundesarbeitsminister Heil ließ in mehreren Zeitungsinterviews verlauten, dass sein Ministerium den Entwurf eines sogenannten „Mobile Arbeit Gesetzes“ fertiggestellt habe.

Das angekündigte „Mobile Arbeit Gesetz“ sehe einen Rechtsanspruch auf 24 Tage Homeoffice pro Arbeitnehmer vor. Arbeitgeber dürften den Wunsch nach mobiler Arbeit nur dann ablehnen, wenn es dafür organisatorische oder betriebliche Gründe gebe. Weiterhin solle das Gesetz vorschreiben, dass die Arbeitszeit im Homeoffice digital dokumentiert werden müsse.

Wie sollte es weitergehen?

Der Gesetzentwurf des BMAS wurde zunächst zur sogenannten Frühkoordination dem Bundeskanzleramt vorgelegt. Danach sollte der Entwurf in den einzelnen Bundesministerien geprüft, ggf. überarbeitet und schließlich im Kabinett verabschiedet werden. Abschließend hätten der Bundestag und der Bundesrat darüber entscheiden sollen, ob der Gesetz-Entwurf zum Gesetz wird.

Wie ging es tatsächlich weiter?

Wer nun mit einem zügigen Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens gerechnet hat, sieht sich anscheinend getäuscht.
Offenkundig gibt es bereits im Rahmen der Frühkoordination massiven Widerstand gegen das „Mobile Arbeit Gesetz“ vonseiten des Kanzleramtes.

Laut Presseberichten ließ das Kanzleramt verlautbaren, dass der Gesetzentwurf nicht für eine weitere Abstimmung zwischen den Bundesministerien geeignet sei. Zur Begründung verwies das Kanzleramt auf den Koalitionsvertrag, in dem lediglich ein Auskunftsrecht, jedoch kein Rechtsanspruch auf Homeoffice geregelt sei.

Es bleibt abzuwarten, inwiefern der Gesetzesentwurf (möglicherweise in geänderter Form) doch noch die Ressortabstimmung und das weitere Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird.

Aktuell ist somit keinesfalls mit einem schnellen Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen.
Wir informieren Sie an dieser Stelle über den weiteren Fortgang der Dinge.

Gerne melden Sie sich auch bei unseren Webinaren zum Thema „Homeoffice“ an. Die Termine finden Sie wie immer auf der Eventseite dieser Gruppe.

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