Themenmonat: Zeugnis – Teil 5 „Gefälschtes Zeugnis/gefälschte Unterlagen“

Wird ein Arbeitnehmer aufgrund eines von ihm gefälschten Zeugnisses bzw. aufgrund von ihm gefälschter Unterlagen eingestellt, hat der Arbeitgeber zwei Möglichkeiten, wenn er den Betrug bemerkt – er kann den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB) bzw. das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen (§ 626 Abs. 1 BGB).

1. Anfechtung
Gemäß § 123 BGB kann ein Arbeitsvertrag angefochten werden, wenn der Arbeitgeber arglistig getäuscht wurde. Hierbei kommt es nicht darauf an, wann der Arbeitgeber von dieser Täuschung erfährt – auch Jahre nach der Einstellung ist eine Anfechtung noch möglich, wenn der Arbeitgeber erst jetzt Kenntnis vom Betrug erlangt und dieser Betrug die Rechtslage noch immer beeinträchtigt (zeitliche Grenze: zehn Jahre nach Vertragsschluss, § 124 Abs. 3 BGB). Darüber hinaus ist die Frist für die Anfechtung sehr lang; nach Kenntniserlangung von den Tatsachen, die den Betrug begründen hat der Arbeitgeber ein Jahr Zeit um den Vertrag anzufechten.

Ist die Anfechtung erfolgreich, so führt dies dazu, dass er Arbeitsvertrag gemäß § 142 BGB rückwirkend entfällt (sogenannte ex-tunc-Wirkung). Im Prinzip müsste daher das gesamte Arbeitsverhältnis rückabgewickelt werden. Da dies aber wenig praktikabel ist (wie soll die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zurückgewährt werden?), führt dies in der Praxis dazu, dass eine Rückabwicklung nicht stattfindet und das Arbeitsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft (ab Zugang der Anfechtungserklärung) entfällt.

2. Fristlose Kündigung
Ebenfalls ist in einem solchen Fall eine fristlose Kündigung denkbar, da durch die Täuschung regelmäßig das für das Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauensverhältnis irreparabel zerstört sein dürfte und somit ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist.

Auch eine solche Kündigung ist im Prinzip noch Jahre nach der Einstellung möglich. Eine absolute Frist (wie bei der Anfechtung – zehn Jahre) gibt es hier nicht. Allerdings muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Betruges erfolgen.

Außerdem müssen die allgemeinen Regelungen für Kündigungen eingehalten werden; besteht ein Betriebsrat, so muss dieser angehört werden, ist der Arbeitnehmer schwerbehindert, benötigt man die Zustimmung des Integrationsamtes, etc.
In der Praxis wird man als Arbeitgeber beide Wege gleichzeitig gehen (Anfechtung und Kündigung) um die eigenen Interessen optimal zur Geltung zu bringen.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg

 

Themenmonat: Zeugnis – Teil 3 „Wie setzt man als Arbeitgeber seine Bewertung durch?“ / „Schadenersatz“

Obwohl Sie durch das Gesetz zu einer wohlwollenden Formulierung verpflichtet sind bzw. sich in einem Vergleich bereit erklärt haben, bestimmte Formulierungen in das Zeugnis aufzunehmen, gibt es noch Spielraum um ggf. deutlich zu machen, dass Sie mit dem Arbeitnehmer nicht sonderlich zufrieden waren.

Wurde keine bestimmte Leistungsbeurteilung vereinbart, reicht es wenn Sie eine durchschnittliche Leistung (»zu unserer vollen Zufriedenheit« und Verhalten »einwandfrei«) bescheinigen. Da in der Praxis deutlich mehr als 50 Prozent der Zeugnisse gute oder sehr gute Bewertungen enthalten, wird sich das von Ihnen erteilte Zeugnis hiervon negativ unterscheiden.

Wurde (z. B. in einem Vergleich) eine gute Leistungs- und Führungsbeurteilung vereinbart, können Sie durch Weglassen der Abschlussformulierung deutlich machen, dass die Leistung und/oder das Verhalten tatsächlich schlechter waren. Der Schlusssatz würde dann z. B. wie folgt lauten: »Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.3.2018.«

Teilweise wird die Meinung vertreten, dass dies dann nicht möglich ist, wenn im Vergleich formuliert wurde, dass das Zeugnis nicht nur wohlwollend und qualifiziert, sondern auch berufsfördernd sein soll.

Eine weitere Variante besteht darin, dass Sie an geeigneter Stelle das Wort »Kennengelernt« benutzen (z. B. »Wir haben ihn als leistungsfähigen, kompetenten und freundlichen Mitarbeiter kennengelernt.«). Das BAG ist zwar der Auffassung, dass dieses Wort keine negative Bewertung ausdrückt (siehe oben), in der Zeugnisliteratur wird dies jedoch anders gesehen. Zumindest drückt diese passive Formulierung eine gewisse Distanz zum Arbeitnehmer aus.

Die letzte Möglichkeit kann die Betonung von Selbstverständlichkeiten sein. Wird z. B. bei normalen Bürokräften die Ehrlichkeit und die Pünktlichkeit betont, so kann dies deutlich machen, dass diese Eigenschaften tatsächlich nicht vorlagen, weil es eher unüblich ist, im Zeugnis zu diesen Selbstverständlichkeiten Angaben zu machen.
Anders ist dies allerdings dann, wenn beispielsweise eine Kassiererin zu beurteilen ist. Fehlen hier Angaben zur Ehrlichkeit, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass sie tatsächlich nicht ehrlich war und z. B. Geld unterschlagen hat.

Schadenersatzansprüche
Hier kommen zum einen Ansprüche des Arbeitnehmers sowie solche eines neuen Arbeitgebers in Betracht.

1. Ansprüche des Arbeitnehmers
Bei den Ansprüchen des Arbeitnehmers geht es zum einen um solche wegen der Nichterteilung bzw. der verspäteten Erteilung eines Zeugnisses; zum anderen können ggf. Ansprüche nach § 15 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) geltend gemacht werden, wenn das Zeugnis benachteiligende Äußerungen enthält.

Nichterteilung / Verspätete Erteilung
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber haften, wenn er dem Arbeitnehmer das Zeugnis nicht oder verspätet erteilt und wenn dadurch dem Arbeitnehmer Vergütung entgeht, weil er bei seinen Bewerbungen kein Zeugnis vorlegen kann.

Da dieser Anspruch aber an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft ist, kommen solche Fälle in der Realität eher selten vor.

Zunächst einmal muss nämlich der Arbeitnehmer sein Wahlrecht (einfaches oder qualifiziertes Zeugnis) ausgeübt haben. Hat er dies aber noch nicht getan, so kann er keinen Schadenersatz vom Arbeitgeber verlangen.

Darüber hinaus muss er die Erteilung eines Zeugnisses auch angemahnt haben. Schließlich muss der Arbeitnehmer vor Gericht zumindest beweisen, dass ein Arbeitgeber bei Vorliegen eines Zeugnisses eine Einstellung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Da dies regelmäßig sehr schwer sein dürfte, kommt es selten zu solchen Klagen.

Benachteiligende Äußerungen
Ein Anspruch nach § 15 AGG kommt schon eher in Betracht. Dies deswegen, weil das AGG eine Beweislastumkehr vorsieht, wenn der Arbeitnehmer zumindest Indizien für eine Benachteiligung vortragen kann. In diesem Fall muss dann der Arbeitgeber darlegen und ggf. beweisen, dass es eine Benachteiligung tatsächlich nicht gegeben hat.

2. Ansprüche des neuen Arbeitgebers
Ansprüche des neuen Arbeitgebers kommen insbesondere dann in Betracht, wenn ein Zeugnis in seinem Kernbereich unrichtige Angaben enthält und dies der Aussteller auch weiß. Ein solcher Fall läge z. B. dann vor, wenn der Aussteller dem Arbeitnehmer (Kassierer) Ehrlichkeit bescheinigt, obwohl der Arbeitnehmer bei ihm eine Unterschlagung begangen hat und der Arbeitnehmer beim neuen Arbeitgeber erneut Geld unterschlägt.

Eine weitere Konstellation ist dann gegeben wenn Arbeitnehmer und bisheriger Arbeitgeber in sogenanntem »kollusiven Zusammenwirken« ein falsches Zeugnis erstellen. Der alte Arbeitgeber setzt sich hier zum einen einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Beihilfe zum Anstellungsbetrug aus und macht sich darüber hinaus schadenersatzpflichtig.

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Themenmonat: Zeugnis – Teil 2 „Grundlagen des Zeugnisinhaltes“

Ein Zeugnis ist schriftlich zu erteilen und zu unterzeichnen. Anders als bei einer Kündigung kann das Zeugnis von vielen unterschiedlichen Personen unterschrieben werden. Neben dem Firmeninhaber oder z. B. dem GmbH-Geschäftsführer kann die Unterschrift auch durch einen Prokuristen, den Personalleiter oder einen anderen Vorgesetzten erfolgen. Ein Anspruch auf die Unterzeichnung durch eine bestimmte Person besteht nicht.

Existiert beim Arbeitgeber ein offizieller Briefbogen, so muss auch das Zeugnis auf einem solchen Bogen erstellt werden (BAG 3.393 – 5 AZR -82/92). Allerdings ist das Anschriftenfeld freizulassen und insbesondere nicht Namen und Adresse des Arbeitnehmers einzutragen, da dies den Eindruck erwecken könnte, das Zeugnis sei dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer nach einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung über den Inhalt postalisch zugestellt worden (LAG Hamm 17.6.1999 – 4 Sa 2587/98).

Das Zeugnis ist in deutscher Sprache zu erteilen. Eine Überschrift »Zeugnis« ist nicht zwangsläufig erforderlich, wenn sich aus dem Inhalt ergibt, dass es sich um ein Zeugnis handelt. Um überflüssige Streitigkeiten zu vermeiden, soll die Bezeichnung »Zeugnis« aber gewählt werden.

Einen Rechtsanspruch auf ein orthographisch korrektes Zeugnis soll der Arbeitnehmer nach überwiegender Ansicht nicht haben; ich würde aber dringend dazu raten, Rechtschreibfehler zu korrigieren, auf die der Arbeitnehmer Sie hinweist. Zum einen wäre eine gerichtliche Auseinandersetzung hierüber wenig sinnvoll, zum anderen lassen Rechtschreibfehler auch ihr Unternehmen in keinem guten Licht erscheinen.

1. Die Wahrheitspflicht
Das BAG hat die Zeugniswahrheit als wichtigsten Grundsatz der Zeugniserstellung festgelegt. Dies bedeutet einerseits, dass die Fakten des Arbeitsverhältnisses korrekt wiedergegeben werden müssen. Andererseits müssen die Inhalte des Zeugnisses aber auch klar erkennbar und verständlich sein (Grundsatz der Zeugnisklarheit). Nicht zulässig sind versteckte Bemerkungen oder Hinweise, die den Zweck haben, eine andere Aussage zu vermitteln, als die die sich aus der äußeren Form oder dem Inhalt ergibt.

2. Die Wohlwollenspflicht
Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers leitet die Rechtsprechung die Pflicht des Arbeitgebers ab, ein wohlwollendes Zeugnis zu erteilen. Dies drückt sich darin aus, dass in Zeugnissen nur positive Formulierungen in verschiedenen Abstufungen benutzt werden.

Außerdem ist stets auf einen Gesamteindruck abzustellen. Einmalige Verfehlungen oder seltene Schlechtleistungen des Arbeitnehmers sollen ebenso wenig einen Niederschlag im Zeugnis finden, wie ausnahmsweise erzielte Erfolge.

3. Verjährung, Verwirkung
Der Zeugnisanspruch verjährt nach der normalen Verjährungsregelung gemäß § 195 BGB nach drei Jahren. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Verjährungsfrist nach § 199 BGB erst mit Ende des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Dies bedeutet, dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach Ende des Arbeitsverhältnisses endet.

Ist noch keine Verjährung eingetreten, so kann der Anspruch auf Zeugniserteilung an der Unmöglichkeit der Erstellung scheitern. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Arbeitgeber bzw. die zuständigen Mitarbeiter nicht mehr an den Arbeitnehmer erinnern können und entsprechende Unterlagen nicht oder nicht mehr existieren.

Vor Ablauf der Verjährung kann der Zeugnisanspruch außerdem erlöschen, wenn er verwirkt wird. Damit Verwirkung eingreift, ist grundsätzlich sowohl ein Zeitmoment (Anspruch längere Zeit nicht geltend gemacht) als auch ein Umstandsmoment (Verhalten, aus dem Arbeitgeber schließen kann, dass Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird) erforderlich. So hat das BAG in einem Fall Verwirkung als gegeben angesehen, in dem ein Arbeitnehmer dreimal innerhalb von einem Jahr eine Zeugnisänderung verlangt habe und dann nachdem der Arbeitgeber nicht reagiert habe, zwei Jahre lang nichts getan hatte. In diesem Fall habe der Arbeitgeber nach einer so langen Zeit der Untätigkeit nicht mehr damit rechnen können, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch noch geltend macht (BAG v. DB 1988, S. 1071). Es gibt aber auch andere Stimmen in der Rechtsprechung, die davon ausgehen, dass ein Anspruch auf Zeugniserteilung bzw. Zeugnisberichtigung in der Regel nicht verwirkt werden könne (LAG Hamm v. 21.12.1993 – 4 Sa 1077/93), da hier finanzielle Belange des Arbeitgebers nicht betroffen sind, die Ansprüche für den Arbeitnehmer jedoch von erheblicher Bedeutung sind.

Gelten für das Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen, so kann der Anspruch auf Erteilung bzw. Änderung des Zeugnisses nach deren Ablauf erlöschen. Entscheidend ist allerdings hier die Klärung der Frage, ob die Ausschlussfrist sämtliche Ansprüche (also auch den Zeugnisanspruch) umfassen sollen oder nicht.

Ob der Arbeitnehmer auf die Erteilung eines Zeugnisses verzichten kann, hat das BAG noch nicht entschieden. Ein Verzicht kann aber allenfalls nach Ende des Arbeitsverhältnisses und auch nur ausdrücklich erfolgen. Sogenannte Generalquittungen in Vergleichen oder in Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträgen führen regelmäßig nicht zum Verlust des Zeugnisanspruches.

Erteilt der Arbeitgeber ein Zeugnis und geht dieses dem Arbeitnehmer verloren, so geht die überwiegende Meinung dahin, dass in einem solchen Fall ein zweites Zeugnis (= weiteres Original und keine Kopie) erteilt werden muss. Etwaige Kosten hierfür hat der Arbeitnehmer zu tragen.

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Themenmonat: Zeugnis – Teil 1 „Wann kann ein Zeugnis verlangt werden?“

Im Monat November werden wir uns intensiv mit dem Zeugnis und seinen Inhalten beschäftigen. Heute geht es um die Frage, wann ein Zeugnis verlangt werden kann.

Ob es eine Mindestbeschäftigungsdauer gibt, ab der man erst die Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses verlangen kann, ist umstritten. Das LAG Köln ist der Auffassung, dass es solch eine Untergrenz nicht gibt (Urteil vom 30.3.2001 – 4 Sa 1485/00), da dies im Gesetz nicht vorgesehen sei. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer nur ca. sechs Wochen gearbeitet. Das LAG Düsseldorf hat einen Zeugnisanspruch sogar bereits nach nur zweitägiger tatsächlicher Arbeit als gegeben angesehen (LAG Düsseldorf v. 14.5.1963).

Ich rate Arbeitgebern, sich nicht auf diese Diskussion einzulassen. Sie sollten einfach ein kurzes qualifiziertes Zeugnis ausstellen; der Wert eines Zeugnisses für eine so kurze Beschäftigung ist ohnehin höchst fraglich.

Ein einfaches Zeugnis (also ohne Leistungs- und Führungsbewertung) kann der Arbeitnehmer unabhängig von der Länge der Beschäftigung stets verlangen.

Der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses entsteht nach § 109 GewO bei Beendigung. Diese Formulierung wird allgemein so verstanden, dass aus Anlass der Beendigung ein Zeugnis verlangt werden kann (d. h. bereits vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis; z. B. BAG 27.02.1987 – 5 AZR 710/85). Wird dem Arbeitnehmer eine Kündigung ausgesprochen, kündigt er selber oder unterzeichnet er einen Aufhebungsvertrag, so entsteht der Zeugnisanspruch. Liegt das Ende des Arbeitsverhältnisses aufgrund der langen Kündigungsfrist noch weit in der Zukunft, so kann der Arbeitgeber zunächst ein Zwischenzeugnis und erst später ein Endzeugnis ausstellen.

Allerdings muss ein Arbeitgeber erst dann ein Zeugnis ausstellen, wenn der Arbeitnehmer sein Wahlrecht ausgeübt hat und ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis verlangt hat. Hat er von seinem Wahlrecht kein Gebrauch gemacht, so kann das Zeugnis (noch) nicht eingeklagt werden.

Der Zeugnisanspruch entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt. Ob und mit welchem Inhalt der Arbeitgeber in einem solchen Fall ein Zeugnis erteilt, sollte vorab gut überlegt werden. Auf der einen Seite kann die Erteilung eines Zeugnisses helfen, die Risiken im Kündigungsschutzverfahren zu reduzieren. Schafft es nämlich der Arbeitnehmer mit Hilfe des Zeugnisses einen neuen Arbeitsplatz zu finden, so besteht die Gefahr, bei Verlust des Prozesses die Löhne nachzahlen zu müssen, für den Arbeitgeber nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe (da der Lohn im neuen Arbeitsverhältnis gegengerechnet werden muss). Ohne ein Arbeitszeugnis ist eine erfolgreiche Bewerbung insbesondere nach einem langen Arbeitsverhältnis regelmäßig wenig erfolgsversprechend.

Auf der anderen Seite kann ein erteiltes Zeugnis je nach Inhalt auch negative Auswirkungen auf das Kündigungsschutzverfahren haben. Werfen Sie dem Arbeitnehmer eine schlechte Leistung oder häufiges Fehlverhalten vor, bescheinigen ihm aber im Zeugnis eine gute Leistung und ein untadeliges Verhalten, so können Sie vor Gericht in Argumentationsschwierigkeiten geraten.

Sie können die Erteilung eines Zeugnisses während eines Kündigungsschutzverfahrens nicht mit der Begründung verweigern, es sei über die Kündigung noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Umgekehrt verhält sich ein Arbeitnehmer nicht widersprüchlich, der einerseits Kündigungsschutzklage erhebt, andererseits die Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt.

Bei einem Zeugnis handelt es sich grundsätzlich um eine sogenannte Holschuld, d. h. der Arbeitnehmer muss das Zeugnis beim Arbeitgeber abholen (BAG v. 8.3.1995 – 5 AZR 848/93). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Abholung für den Arbeitnehmer einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde. Ob man als Arbeitgeber darauf besteht, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis abholen muss, ist letztlich eine Geschmacksfrage, die man nicht zu einer Grundsatzfrage erheben sollte.

Die Frage, wann ein Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis verlangen kann, ist leider gesetzlich nicht geregelt. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn ein triftiger anzuerkennender Grund für die Zeugniserteilung gegeben ist. In folgenden Fällen wurde ein solcher Anspruch bejaht:

-zur Bewerbung bei einem neuen Arbeitgeber;

-Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist;

-bei einer wesentlichen Veränderung der Betriebsstruktur, dem Verkauf oder der Insolvenz des Unternehmens;

-wesentliche Veränderungen beim Arbeitnehmer (Versetzung bzw. wesentliche Veränderung des Aufgabenbereichs, Vorgesetztenwechsel, längere Arbeitsunterbrechung z. B. wegen Elternzeit);

-Vorlage bei Behörden oder Gerichten.

Wenn man als Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis erteilt, so sollte man sich jedoch darüber im Klaren sein, dass hierdurch eine inhaltliche Selbstbindung eintreten kann. Nach der Rechtsprechung des BAG ist nämlich ein Arbeitgeber an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden (Urteil vom 21.6.2005 – 9 AZR 352/04). Dies bedeutet, dass ein Arbeitgeber, der ein gutes Zwischenzeugnis erteilt hat, auch ein gutes Endzeugnis erstellen muss, es sei denn, er kann im Streitfall Umstände vortragen und ggf. beweisen, die nach Aushändigung des Zwischenzeugnisses bekannt geworden sind und eine schlechtere Beurteilung rechtfertigen.

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Wichtiges Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Urlaub

Wir hatten im Juli bereits über einen Fall berichtet, der gerade vor dem EuGH verhandelt wird und erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht haben kann.

Der Fall
Der Kläger (Herr King – der Fall spielt in England) war 13 Jahre lang als Verkäufer auf Provisionsbasis in einem elbständigen Dienstverhältnis tätig.

Als Herr King in Rente ging, stellten die englischen Arbeitsgerichte fest, dass er tatsächlich nicht als Selbständiger sondern als Arbeitnehmer einzustufen war. Nunmehr verlangte er die Auszahlung seines Urlaubes – Sie werden es kaum glauben – für 13 Jahre rückwirkend.

Die Britischen Arbeitsgerichte legten diesen Fall dem EuGH vor (EuGH, Schlussanträge v. 08.06.2017 – C-214/16). Wir hatten im Juli bereits darauf hingewiesen, dass der Generalanwalt beim EuGH, in seinen Schlussanträgen ausgeführt hatte, dass Herrn King nach seiner Auffassung die Auszahlung des Urlaubs für 13 (!) Jahre zustehe.

Die Entscheidung
Dieser Meinung hat sich nun der EuGH angeschlossen und zu Gunsten von Herrn King entschieden (Urteil des EuGH vom 29.11.2017, Az.: C 214/16). Nach Auffassung des EuGH hätte der Arbeitgeber Herrn King die Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Urlaub ermöglichen müssen. Da er dies über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht getan hat und das Arbeitsverhältnis nunmehr beendet sei, so dass der Urlaub nicht mehr genommen werden kann, müsse er ausgezahlt werden.

Praxistipp
Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auch in Deutschland. Da die Sachlage ohne weiteres übertragen werden kann, steigen die Risiken, wenn sie jemanden als Selbständigen beschäftigen und später festgestellt wird, dass es sich doch um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Nicht nur müssen Sie dann beide Beiträge der Sozialversicherungen ggf. für das gesamte Vertragsverhältnis nachzahlen (40 % der Vergütung pro Monat) und bekommen hier regelmäßig nichts vom Arbeitnehmer zurück; sie müssten auch den Urlaub für das gesamte Arbeitsverhältnis auszahlen bzw. nachgewähren.

Hinzu kommt, dass dem EuGH derzeit zwei Fälle aus Deutschland vorliegen, in denen die Arbeitnehmer den Urlaub im abgelaufenen Jahr nicht genommen haben (keine Krankheit oder sonstige Hinderungsgründe) und nun dennoch die Meinung vertreten, dass ihnen der Urlaub aus dem abgelaufenen Jahr weiter zustehe. Die Landesarbeitsgerichte München sowie Berlin-Brandenburg haben beide die Meinung des Arbeitnehmers geteilt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Nach der o.g. Entscheidung im Fall King spricht nun einiges dafür, dass der EuGH auch in den beiden deutschen Fällen zugunsten der Arbeitnehmer entscheidet. Dies würde dann dazu führen, dass Sie in Ihren Betrieben die Urlaubsgewährung komplett umstellen müssten. Sie müssten dann als Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer ihren Urlaub auch tatsächlich nehmen. Tun Sie dies nicht, so wird der Urlaubsanspruch ins nächste Jahr übertragen.

Wir halten Sie auf dem Laufenden!

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