Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung von Verzugspauschalen bei verspäteter Entgeltzahlung?

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25. September 2018, 8 AZR 26/18 (Pressemitteilung Nr. 46/18), die für die Personalpraxis höchst relevante Frage entschieden, ob die in § 288 V BGB geregelte Verzugspauschale auch im Arbeitsrecht Anwendung findet.

Der rechtliche Hintergrund

Ausgangsnorm des vorliegenden Rechtsstreits ist § 288 V BGB.

Gemäß Satz 1 dieser Vorschrift hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei verspäteter Zahlung seitens des Schuldners einen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro.

Allerdings wird die Pauschale gemäß § 288 V Satz 3 BGB auf einen Schadensersatzanspruch wegen Rechtsverfolgungskosten angerechnet.

Im gesamten Bereich des Arbeitsrechts schließt § 12a ArbGG Ansprüche auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten vorprozessual sowie in der ersten Instanz aus.

Die Mehrzahl der Landesarbeitsgerichte sprachen sich jedoch für eine Anwendung des § 288 V BGB im Bereich des Arbeitsrechts aus.

Die entscheidenden gesetzlichen Vorschriften

§ 288 BGB Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

§ 12a ArbGG Kostentragungspflicht
(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes.

Der zugrunde liegende Fall

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten beschäftigt. Er hat diese auf Zahlung rückständiger Besitzstandszulagen für die Monate Mai bis September 2016 in Anspruch genommen. Zudem hat er von der Beklagten wegen Verzugs mit der Zahlung der Besitzstandszulage für die Monate Juli bis September 2016 die Zahlung von drei Pauschalen à 40,00 Euro nach § 288 V BGB verlangt.

Die Beklagte hat demgegenüber im Wesentlichen eingewandt, § 288 V BGB sei im Arbeitsrecht gemäß § 12a ArbGG ausgeschlossen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung des BAG

Die Revision der Beklagten, mit der diese sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung der Pauschalen nach § 288 V BGB wendet, war vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich.

Der Kläger hat – so das BAG – keinen Anspruch auf die geltend gemachten Pauschalen. Zwar finde § 288 V BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet.
Allerdings schließe § 12a I 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 V BGB aus.

Das Wichtigste

Das Urteil ist aus Arbeitgebersicht uneingeschränkt zu begrüßen.

Für die Personalpraxis bringt die Entscheidung des BAG endlich Rechtsklarheit. Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber, wenn dieser mit Entgeltzahlungen im Verzug ist, nicht die in § 288 V BGB geregelte Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro fordern.

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Themenmonat „Anfechtung“ – Teil 1: Die Anfechtung des Arbeitsvertrages

Mit dem heutigen Beitrag starten wir in den Themenmonat „ Anfechtung im Arbeitsverhältnis“. Neben möglichen Gründen für eine Anfechtung des Arbeitsvertrages aus Arbeitgebersicht wollen wir uns unter anderem auch mit den sehr praxisrelevanten Fragen der Anfechtung der Kündigungserklärung und des Aufhebungsvertrages befassen.

Was ist eine Anfechtung?

Zunächst ist zu klären, was genau unter dem Begriff der „Anfechtung“ zu verstehen ist. Durch die Anfechtung einer Willenserklärung gem. § 142 BGB wird diese rückwirkend, also bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe vernichtet.
Die empfangenen Leistungen sind danach nach den Regeln des Bereicherungsrechts zurückzugewähren. Eine Willenserklärung kann beispielsweise wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden. In der Praxis kommt die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses meistens dann in Betracht, wenn der Mitarbeiter den Arbeitgeber hinsichtlich seiner Qualifikationen (beispielsweise durch Fälschung von Zeugnissen, Bewerbungsunterlagen o.ä.) getäuscht hat.

Kann ein Arbeitsvertrag einfach angefochten werden?

Ja. Die zum Abschluss des Arbeitsvertrages abgegebene Willenserklärung jeder Partei kann unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Die Anfechtung wird insbesondere nicht durch die Kündigungsregeln verdrängt. Bei Kündigung und Anfechtung handelt es sich nämlich um unterschiedliche Gestaltungsrechte. Sie können deshalb auch nebeneinander erfolgen.
Tipp: Nach herrschender Meinung muss der Betriebsrat im Rahmen einer Anfechtung nicht gem. § 102 BetrVG angehört werden. Anders als bei der Kündigung ist nämlich hier kein zukunftsbezogener Kündigungsgrund erforderlich.

Die Anfechtung setzt grundsätzlich das Bestehen eines Anfechtungsgrundes sowie eine entsprechende Anfechtungserklärung innerhalb der jeweiligen Frist voraus.
Die Anfechtung wegen Irrtums oder falscher Übermittlung muss ohne schuldhaftes Zögern, d. h. unverzüglich, nachdem der Arbeitgeber von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 121 Abs. 1 BGB), erfolgen. Das BAG wendet auf die Anfechtungsfrist im Arbeitsverhältnis die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB entsprechend an (BAG vom 21.02.1991 – 2 AZR 449/90).

Im Falle einer Bedrohungs- oder Täuschungsanfechtung bestimmt § 124 BGB eine Anfechtungsfrist von einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt bzw., im Falle der Drohung, in welchem die Zwangslage aufgehört hat. Die Einjahresfrist gilt nach der Rechtsprechung des BAG (19.05.1983 – 2 AZR 171/81) auch dann, wenn der Anfechtungsgrund ebenso eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB begründen könnte.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist jedoch bei der Anfechtung im Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Rechtsfolge zu differenzieren:
Erbrachte Arbeitsleistungen können bekanntlich nur schwer zurückerstattet werden, sodass im Arbeitsrecht hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Anfechtung danach unterschieden werden muss, ob das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden ist, ob also bereits ein Austausch der Leistungen stattgefunden hat.
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber erschienen ist, seinen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen und die zugewiesene Tätigkeit aufgenommen hat. Es soll mitunter sogar bereits der Erhalt von Informationen über die künftige Tätigkeit ausreichen.

Ist das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden, entfaltet eine etwaige Anfechtung also nur Wirkung für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit. Die erbrachten Leistungen sind deshalb so abzuwickeln, als sei das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit gültig gewesen, die Rede ist dann oft von einem sog. „faktischen Arbeitsverhältnis“.

Jede Vertragspartei kann sich dann nur für die Zukunft einseitig vom Vertrag lösen. Ist das Arbeitsverhältnis hingegen im Zeitpunkt der Anfechtung noch nicht in Vollzug gesetzt, gilt die gesetzl. Regelung des § 142 BGB ohne Modifikation. Der Vertrag ist dann von Anfang an als nichtig zu betrachten.

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Frist von zwei Arbeitstagen zur Anhörung bei Verdachtskündigung zu kurz

Die Problematik:

Immer wieder stehen Arbeitgeber vor der Situation, dass sie zwar einen starken Verdacht haben, dass ein Arbeitnehmer eine Straftat zu ihren Lasten begangen hat (z.B. Diebstahl, Arbeitszeitbetrug, etc.), sie diese Tat aber nicht vollständig beweisen können. Würde man in einem solchen Fall eine „normale“ Kündigung aussprechen, so würde man vor dem Arbeitsgericht verlieren, da der Beweis für den Kündigungsgrund nicht erbracht werden kann.

Die Lösung:

Für solche Fälle hat die Rechtsprechung die sogenannte Verdachtskündigung entwickelt. Hierbei muss der Arbeitgeber vor Gericht nicht die Tat an sich, sondern nur einen dringenden Verdacht beweisen. Da dies aber im Extremfall dazu führen kann, dass ein „unschuldiger“ Arbeitnehmer gekündigt wird, muss der Arbeitgeber vorher Ermittlungen durchführen und den mutmaßlichen Täter vor Ausspruch der Kündigung zu den Vorwürfen anhören. Tut er dies nicht oder macht er hier Fehler, so ist die Kündigung unwirksam.

Der Fall

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, in dem die Parteien über eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Verdachtskündigung stritten (Urteil vom 21.03.2018, Az.: 3 Sa 398/17).
Der Kläger war seit 2012 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2016 wurde dem Kläger eine andere Tätigkeit zugewiesen, die er aus dem Homeoffice heraus erbringen sollte. In diesem Zusammenhang übergab die Beklagte dem Kläger am 21.06.2016 einen Laptop. Der Kläger wurde am 22.06.2016 arbeitsunfähig krank. Am 25.07./26.07.2016 meldete die Firewall der Beklagten, dass über den dem Kläger zur Verfügung gestellten Laptop größere Datenmengen vom Server der Beklagten heruntergeladen wurden (u.a. Handbücher, Betriebsvereinbarungen, Marketingplanungen etc.). Dem Kläger wurde daraufhin aus Sicherheitsgründen der Zugang gesperrt. Am 01.08.2016 wurde der immer noch arbeitsunfähige Kläger um Herausgabe des Laptops gebeten. Nach Eingang bei der Beklagten wurde festgestellt, dass die Festplattennummer nicht mit derjenigen übereinstimmt, die dem Kläger übergeben wurde. Die Beklagte erstattete daraufhin noch am selben Tag Strafanzeige gegen den Kläger unter allen möglichen Gesichtspunkten. Mit Schreiben vom 04.08.2016 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf eine beabsichtigte außerordentliche Verdachtskündigung auf, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen bis zum 08.08.2016. Der arbeitsunfähige Kläger hielt sich zu der Zeit – in Kenntnis der Beklagten – in Berlin auf und äußerte sich nicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Die Entscheidung:

Das LAG gab dem Arbeitnehmer recht und erklärte die Kündigung für unwirksam. Dies deswegen, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß angehört habe.
Eine Verdachtskündigung sei nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber mit der gebotenen Zügigkeit alles Zumutbare zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung unternimmt und sich sodann (immer noch) der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung aufdrängt. Hierzu zählt insbesondere auch die Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers, um diesem die Gelegenheit zu geben, etwaige Missverständnisse auszuräumen oder Rechtfertigungsgründe zu benennen. Die Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung.

Hier lagen zwischen der von der Beklagten behaupteten Übermittlung des Schreibens an den Kläger (04.08.2016, 18:54 Uhr) und Fristende (08.08.2016, 13:00 Uhr) nicht einmal zwei volle Arbeitstage (Freitag und Montag). Angesichts des Umstands, dass sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden, in welchen sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ, ist die zur Stellungnahme gesetzte Frist bis Montagmittag, 08.08.2016, vorliegend in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Dies gilt umso mehr, als dass die Beklagte das Anhörungsschreiben nicht zugleich dem Prozessbevollmächtigten des Klägers – ggf. auch per Fax – zusandte. Außerdem wusste sie, dass der Kläger arbeitsunfähig krank war. Sie musste somit damit rechnen, dass sich dieser gerade nicht durchgängig zu Hause aufhält.

Praxistipp:

Ein Arbeitgeber muss im Rahmen der Verdachtskündigung zum einen den Arbeitnehmer ordnungsgemäß anhören zum anderen § 626 Abs. 2 BGB beachten, der vorsieht, dass eine fristlose Kündigung spätestens 2 Wochen nach Kenntnis von den maßgeblichen Umständen des Vorwurfs der die Kündigung stützen beim Arbeitnehmer zugehen muss. Die Anhörung des Arbeitnehmers muss daher zum einen innerhalb einer kurzen Frist erfolgen; diese Frist darf zum anderen – wie eben gesehen (Urteil des LAG) – aber auch nicht zu kurz sein.

Typischerweise dürfte eine Frist von 1 Woche einerseits ausreichend und andererseits nicht zu lang sein. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, das heißt bei besonders komplexen Sachverhalten, kann sie überschritten werden (BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12).

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Themenmonat Anfechtung – Teil 2: Anfechtungsgründe

In unserem heutigen Beitrag wollen wir uns näher mit den möglichen Gründen für die Anfechtung des Arbeitsvertrages auseinandersetzen und die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hierzu genauer unter die Lupe nehmen.
Wie bereits dargestellt, ist zwingende Voraussetzung für eine etwaige Anfechtung ein entsprechender Anfechtungsgrund.

Im BGB sind folgende Anfechtungsgründe geregelt:

Anfechtung wegen Irrtums

Gem. § 119 BGB Absatz 1 kann eine Willenserklärung wegen eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums angefochten werden. Ein Erklärungsirrtum liegt dann vor, wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Bei einem Inhaltsirrtum irrt der Erklärende über die rechtliche Bedeutung seiner Willenserklärung.

Praxisrelevant ist im Arbeitsrecht zudem der Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB. Hier befindet sich der Arbeitgeber bei Vertragsschluss über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers im Irrtum.

Das BAG definiert diese Eigenschaften wie folgt:
„Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person bestehen neben ihren körperlichen Merkmalen auch in ihren tatsächlichen oder rechtl. Verhältnissen und Beziehungen zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung und die zu leistende Arbeit von Bedeutung und nicht nur vorübergehender Natur sind“ (BAG Urteil v. 21.02.1991 – 2 AZR 449/90).

Diese Voraussetzungen sind allerdings nicht schon deshalb erfüllt, weil der Arbeitgeber mit den Leistungen des Mitarbeiters nach dessen Tätigkeitsbeginn nicht zufrieden ist. Im Grunde sollte hier auf das Fragerecht bzw. die Offenbarungspflichten des künftigen Mitarbeiters abgestellt werden.
Nach Rechtsprechung des BAG stellen beispielsweise Vorstrafen (wenn kein Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Vorstrafe besteht) sowie eine Schwangerschaft (mangels Dauerzustandes) keine wesentlichen Eigenschaften i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB dar. Vorstrafen, die im direkten Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit bestehen, berechtigen den Arbeitgeber hingegen zur Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB.

Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung

Gem. § 123 BGB können Willenserklärungen auch wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung angefochten werden.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang vor allem die falsche Beantwortung einer zulässigen Frage des Arbeitgebers im Rahmen des Bewerbungsgesprächs oder des Personalfragebogens. Auch ohne entsprechende vorangegangene Frage liegt eine Täuschung des Bewerbers durch Verschweigen vor, wenn diesem eine Offenbarungspflicht obliegt und er diese Pflicht bewusst missachtet hat.
Die Täuschung muss jedoch ursächlich für die Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers gewesen sein. Hätte dieser den Mitarbeiter unabhängig davon, wie die Frage beantwortet wird eingestellt, kann er sich später auch nicht auf eine etwaige Täuschung berufen.

Zulässige Fragen sind beispielsweise: Fragen nach den Qualifikationen, Kenntnissen und dem beruflichen Werdegang. Soweit es für die jeweilige Tätigkeit erforderlich ist, kann der Arbeitgeber sich auch nach bestehenden Wettbewerbsverboten erkundigen. Die Frage nach den Vermögensverhältnissen wird wohl, soweit es sich nicht um einen leitenden Angestellten oder einen Mitarbeiter mit besonderer Vertrauensposition handelt, unzulässig sein. Die Frage nach einer Behinderung oder nach einer Vorstrafe ist immer dann zulässig , wenn ihre Beantwortung für die Tätigkeit an sich relevant ist.

Wie bereits dargestellt ist bei einer Anfechtung gem. § 123 BGB zwingend die Jahres-Frist des § 124 BGB zu beachten.

Wenn Sie Fragen zum Thema Anfechtung im Arbeitsverhältnis haben, sprechen Sie uns gerne an.

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Themenmonat Anfechtung – Teil 3: Anfechtung von Aufhebungsverträgen

Arbeitgeber haben, soweit sie einen Mitarbeiter zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages bewegen konnten, naturgemäß ein großes Interesse daran, dass dieser auch Bestand hat. Mit unserem heutigen Beitrag möchten wir uns in diesem Zusammenhang näher mit der Möglichkeit der Anfechtung des Aufhebungsvertrages auseinandersetzen.

Die in den vorangegangenen Beiträgen besprochene Möglichkeit der Anfechtung einer Willenserklärung besteht grundsätzlich auch im Hinblick auf den Aufhebungsvertrag. D.h. der Arbeitnehmer kann die im Aufhebungsvertrag festgehaltene Willenserklärung unter den Voraussetzungen der §§ 119 bzw. 123 BGB anfechten.
Als Anfechtungsgründe kommen der Irrtum über die Erklärung oder eine verkehrswesentliche Eigenschaft sowie die Täuschung oder widerrechtliche Drohung bei Vertragsschluss in Betracht.

In der Praxis werden die hohen Anforderungen der Rechtsprechung hieran jedoch äußerst selten erfüllt sein.

Meist werden Aufhebungsverträge vom Arbeitnehmer unter Berufung auf eine (angebliche) widerrechtliche Drohung des Arbeitgebers, nämlich mit einer außerordentlichen Kündigung und/oder mit einer Strafanzeige angefochten.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Anfechtung wegen der Drohung mit einer Kündigung nur dann möglich, wenn ein verständiger Arbeitgeber nicht mit einer Kündigung hätte drohen dürfen.

Auf die Rechtmäßigkeit der in Aussicht gestellten Kündigung kommt es aber gerade nicht an. Grundsätzlich ist eine Drohung nämlich erst dann widerrechtlich i.S.d. § 123 BGB wenn das Mittel, das heißt, das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, also die abgenötigte Willenserklärung, oder jedenfalls die Verknüpfung von beidem widerrechtlich ist.

Dies ist allerdings gerade nicht der Fall, wenn ein vernünftiger Arbeitgeber im Einzelfall eine Kündigung tatsächlich in Erwägung hätte ziehen dürfen.
Das Gleiche gilt im Übrigen für die „Drohung“ mit einer Strafanzeige. Kann dem Arbeitnehmer strafrechtlich relevantes Verhalten zur Last gelegt werden, darf der Arbeitgeber grundsätzlich auch eine Strafanzeige in Erwägung ziehen, selbst wenn sich das Verhalten des Arbeitnehmers nicht gegen ihn sondern gegen seine Kunden richtete. Eine Einbeziehung der äußeren Umstände des Vertragsschlusses sieht die Systematik des § 123 BGB nicht vor. Demnach wird auch bloßer Zeitdruck vom BAG nicht als widerrechtliche Drohung anerkannt. Da das vom Arbeitnehmer als Drohung empfundene Verhalten des Arbeitgebers meist im Personalgespräch unter vier Augen stattfindet, ist im Übrigen der Beweis für den Arbeitnehmer vor Gericht kaum zu führen.

Zudem wird die Ursächlichkeit der Drohung für den Abschluss des Vertrages wohl schon dann zu verneinen sein, wenn der Arbeitnehmer die Situation nutzt, um die Vereinbarung durch Verhandeln (beispielsweise einer Abfindung) zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Eine Täuschung des Arbeitnehmers wurde vom BAG aber beispielsweise dann in Betracht gezogen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Personalgespräch unter Vorlage eines Aufhebungsvertrages erklärt, der gesamte Betrieb müsse stillgelegt werden, während jedoch ein teilweiser Betriebsübergang geplant ist (vgl. BAG Urteil v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06).
Auch eine Anfechtung wegen Irrtums wird in den meisten Fällen kaum in Betracht kommen.

Hier könnte man zwar der Ansicht sein, dass Schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer, die ihre Schwangerschaft bzw. Behinderung bei Vertragsschluss nicht kennen, einen Aufhebungsvertrag wegen Irrtums anfechten können, da sie diesen bei Kenntnis ihres besonderen Kündigungsschutzes nicht abgeschlossen hätten.
Nach der Rechtsprechung besteht bei Unkenntnis des Arbeitnehmers über den Umfang seines Kündigungsschutzes aber kein Anfechtungsrecht. Der Arbeitnehmer unterliegt nach Ansicht des BAG in diesem Fall einem unbeachtlichen Motivirrtum.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer seinen körperlichen Zustand unter Umständen falsch einschätzt oder ob ihm die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen nicht bekannt sind.

Auch der Irrtum des Arbeitnehmers über etwaige Nachteile des Aufhebungsvertrages, wie zum Beispiel die von der Arbeitsagentur gerne verhängte Sperrzeit, stellt lediglich einen Motivirrtum des Arbeitnehmers dar, welcher nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zur Anfechtung berechtigt.

Fazit:
Hat der Arbeitnehmer also einmal seine Unterschrift unter den vom Arbeitgeber vorgelegten Aufhebungsvertrag gesetzt, wird er sich von diesem nur in seltenen Ausnahmefällen lösen können.
Wenn Sie Fragen zum Thema Anfechtung im Arbeitsverhältnis haben oder eine Beratung im Einzelfall wünschen, sprechen Sie uns gerne an.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht Hamburg erhält man auch unter https://scharf-und-wolter.de/fachanwalt-hamburg/fachanwalt-arbeitsrecht/ sowie unter Anwalt Hamburg