Corona – Fiebermessung bei Beschäftigten zulässig?

Die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen haben uns alle noch immer fest im Griff. Vorausschauende Arbeitgeber fragen sich daher, wie sie ihre Arbeitnehmer vor Infektionen am Arbeitsplatz schützen können.

In diesem Zusammenhang besteht die Gefahr mit den Maßnahmen über das Ziel hinauszuschießen und datenschutzrechtliche Verstöße zu begehen, die zu hohen Bußgeldern führen können. Wie ist es in diesem Zusammenhang zu beurteilen, wenn Arbeitgeber bei ihren Arbeitnehmern jeden Tag bei/vor Arbeitsbeginn eine zwingende Temperaturmessung durchführen?

Wo liegt das Problem?

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist nur anwendbar, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden – wieso ist das der Fall, wenn nur die Temperatur der Arbeitnehmer gemessen wird?

Würde es nur bei der Temperaturmessung bleiben und werden die Temperaturen nicht dokumentiert bzw. gespeichert, könnte man in der Tat an der datenschutzrechtlichen Relevanz zweifeln. Tatsächlich findet eine Verarbeitung personenbezogener Daten aber spätestens dann statt, wenn ein Arbeitgeber aufgrund der erhöhten Temperatur eines Arbeitnehmers von einer möglichen Corona-Infektion ausgeht, ihn nach Hause schickt, eine Testung verlangt und ihn ohne Vorlage eines negativen Testergebnisses nicht arbeiten lassen will.

Wir sind also mitten drin in der DSGVO und das heißt wir müssen prüfen, auf welcher gesetzlichen Grundlage die vorbezeichnete Maßnahme erlaubt ist, denn eine Datenverarbeitung ohne Ermächtigungsgrundlage ist stets ein Gesetzesverstoß, unzulässig und kann zu Schadenersatzansprüchen und Bußgeldern führen.

Zunächst ist zu beachten, dass es sich bei den Daten, die sich aus der Temperaturmessung ergeben um besonders sensible Daten (Gesundheitsdaten) handelt, die laut Art. 9 DSGVO nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen verarbeitet werden dürfen.

Messung erlaubt?

Eine Grundlage könnte in § 26 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu finden sein. So sieht § 26 Abs. 3 BDSG die Möglichkeit vor Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 DSGVO zu verarbeiten, wenn dies zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist.

Als Arbeitgeber könnte man sich dann auf § 618 Abs. 1 BGB berufen, in dem geregelt ist, dass Arbeitgeber verpflichtet sind Gefahren für die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer abzuwenden, wozu die Fiebermessung dienen soll. Also alles gut?

Nein. Im Ergebnis wird man so nicht argumentieren können. Zum einen haben nicht alle Corona-Infizierten eine erhöhte Temperatur und auf der anderen Seite kann es auch andere Gründe für eine gemessene erhöhte Temperatur geben (andere Erkrankung; Arbeitnehmer kommt mit dem Fahrrad zu Arbeit).

Im Übrigen muss nach § 26 Abs. 3 BDSG die Maßnahme auch erforderlich sein, d.h. es darf kein milderes, gleich geeignetes Mittel geben, das weniger stark in den Datenschutz der Arbeitnehmer eingreift. Als solche milderen Mittel sind z.B. Befragungen der Arbeitnehmer zu Corona-Symptomen, zu Risikobegegnungen laut der Corona Warn-App, zu sonstigen Kontakten bzw. zu Reisen in Risikogebiete denkbar.

Die obligatorische Fiebermessung auf Grundlage von § 26 Abs. 3 BDSG scheidet also wohl aus. Art. 9 DSGVO lässt die Verarbeitung von Gesundheitsdaten jedoch auch zu, wenn die Arbeitnehmer vorab eine Einwilligung in diese Maßnahme erteilt haben – ist dies also ein gangbarer Weg?

Im Ergebnis führt auch die Einwilligung nicht weiter, da diese nur dann wirksam ist, wenn sie freiwillig abgegeben wird. Dies wäre nur gegeben, wenn Arbeitnehmer die die Einwilligung verweigern deswegen keine Nachteile erleiden, also insbesondere weiter ihrer Arbeit nachgehen können. Dann wäre allerdings die Sinnhaftigkeit der Temperaturmessung ingesamt in Frage gestellt. Hinzu kommt der soziale Druck, die die „Temperaturverweigerer“ von ihren Kollegen ausgesetzt wären – was ggf. dazu führt, dass doch die Einwilligung „freiwillig“ unterzeichnen wird, um diesem Druck zu entgegen.

Praxistipp

Es spricht also eine Menge dafür, dass eine Temperaturmessung bei Arbeitnehmern unzulässig ist. Setzt man sich darüber hinweg, so ist es wahrscheinlich, dass sich ein Arbeitnehmer bei der zuständigen Aufsichtsbehörde beschwert, was eine Untersuchung und ggf. ein Bußgeld zu Folge haben dürfte.

Insofern sollten Sie sich auf einen Fragebogen beschränken. Hierbei ist zum einen zu beachten, dass Sie Ihre Arbeitnehmer im Rahmen einer Datenschutzerklärung (Art. 13 DSGVO) über den Umfang der erhobenen Daten, den Zweck der Verarbeitung, die Rechtsgrundlage, die Speicherdauer sowie die Rechte der Arbeitnehmer aufklären müssen. Darüber hinaus müssen Sie Prozesse etablieren und dokumentieren, in denen festgelegt wird, wann diese Daten gelöscht werden.

Sollten Sie Fragen zum Datenschutz oder zum Arbeitsrecht haben, so kommen Sie gerne auf mich zu.

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Sorgerecht: Befangenheit des Sachverständigen

In Kindschaftssachen, also Sorgerechtsverfahren oder Umgangsverfahren, hat man es mit psychologischen Sachverständigen bzw. Gutachten unterschiedlicher Qualität zu tun. Oft wird die Frage, ob ein Gutachter befangen ist, mit der Frage der Qualität des Gutachtens vermischt.

Hintergrund dabei ist natürlich, dass ein schlechtes Gutachten, das zulasten einer Partei ausgeht, oft das Gefühl hinterlässt, dass der Sachverständige seine Entscheidung schon getroffen hatte, bevor er sich an die Arbeit gemacht hat.

Schlechtes Gutachten oder Befangenheit?

Während die mangelhafte Bearbeitung des Gutachtenauftrages von dem jeweiligen Anwalt in der Stellungnahme zum Gutachten und in der Befragung des Gutachters anzubringen ist, ist die Befangenheit eines Gutachters unverzüglich gegenüber dem Gericht geltend zu machen und vom Gericht durch einen Beschluss zu bestätigen oder abzuweisen.

Wie ausgeführt genügt die schlechte Bearbeitung eines Gutachtens nicht aus. Die Hürden für eine erfolgreichene Geltendmachung einer Befangenheit, die zur Ablösung des Gutachters oder zur ganzen oder teilweisen Nichtbeachtung des Gutachtens führt, sind hoch.

Ein Sachverständiger kann gemäß § 30 Abs. 1 FamFG i. V .m. § 406 ZPO aus denselben Gründen wegen Befangenheit abgelehnt werden, die auch zur Ablehnung eines Richters berechtigen, insbesondere also dann, „wenn Tatsachen oder Umstände vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber“ (BGH, Beschluß vom 15. 3. 2005 – VI ZB 74/04).

Wie drückt sich eine Befangenheit aus?

Der einfache Fall, dass ein Sachverständiger ein Elternteil beleidigt, oder ausdrücklich erklärt, dass er ihm sowieso grundsätzlich nichts glauben würde, kommt in der Praxis praktisch nicht vor.

Was in der Praxis durchaus vorkommt, ist eine Überschreitung des Gutachtenauftrages. Dies bedeutet dass der Gutachter mehr macht als er aufgrund des Auftrages des Gerichts überhaupt machen soll. Dies kann schon der Fall sein, wenn der Gutachter die Eltern immer wieder zu einer gütlichen gemeinsamen Lösung drängt, obwohl das Gericht kein lösungsorientiertes Gutachten in Auftrag gegeben hat.

Ebenfalls stellt sich immer wieder die Frage, ob Bewertungen des Sachverständigen bezüglich der Person oder des Verhaltens eines Elternteils so unsachlich sind, dass es eine Befangenheit rechtfertigt. So kann ein Gutachter befangen sein, wenn er die Auffassung vertritt, dass ein Elternteil in Zukunft keine Verfahrenskostenhilfe mehr bekommen solle für seine Anträge. Ebenso kann dies der Fall sein, wenn einem Elternteil einseitig die Schuld für das Scheitern einvernehmlicher Regelungen zugeschoben wird.

Was tun bei Befangenheit?

Sobald ein Gutachten in einem Familienverfahren eingeholt wird, sollte man das Verfahren nicht mehr ohne Anwalt betreiben. Wenn im Rahmen der Begutachtung oder bei Lektüre des schriftlichen Gutachtens Punkte auffallen, die für eine Befangenheit sprechen könnten, sollte man dies unverzüglich mit seinem Anwalt klären, da Anträge wegen der Besorgnis der Befangenheit umgehend zu stellen sind. Wenn einem ein Argument für die Befangenheit bereits beim ersten Gespräch mit dem Gutachter auffällt, wäre der Befangenheitsantrag im Regelfall verspätet, wenn man dann erst auf das schriftliche Gutachten wartet.

Wie kann ich einer Befangenheit vorbeugen?

Oft kann man eine Befangenheit nicht nachweisen, obwohl man das Gefühl nicht los wird, dass ein Gutachter befangen ist. Deswegen lohnt es sich immer, vor Beginn des Begutachtungsprozesses mit seinem Anwalt zu diskutieren und durchzuspielen, in welche Situationen man geraten kann.

Oft führt unglückliches Verhalten eines Elternteils dazu, dass ein Sachverständiger ihm gegenüber Vorbehalte hat, auch wenn dies dann fachlich ausgedrückt wird. Man sollte daher im Vorfeld herausarbeiten, wo Schwachstellen im eigenen Verhalten und in der eigenen Argumentation liegen, die negativ ausgelegt werden könnten.

Ebenso kann man im laufenden Begutachtungsprozess mit seinem Anwalt Rücksprache halten, wenn man das Gefühl hat, Gespräche mit dem Sachverständigen seien nicht gut gelaufen. dann kann man sich besser auf den nächsten Termin vorbereiten.

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Hilfe bei häuslicher Gewalt in der Corona-Lage

Aufgrund der derzeitigen Beschränkungen für persönlichen Kontakt und der generell geltenden Aufforderung, zu Hause zu bleiben (Dies gilt erst recht bei angeordneten Ausgangssperren.) rechnet das Familienministerium damit, dass es zu vermehrten Vorfällen von häuslicher Gewalt kommen kann. Vor dem Hintergrund, dass viele Familien auf engem Raum mit ihren Kindern, die nicht beschult werden, sozusagen zwangsweise viel mehr Zeit miteinander in der Wohnung verbringen müssen als bisher, liegt dieser Gedanke recht nahe. Dasselbe Problem gilt für Eheleute und nicht verheiratete Paare, die plötzlich Homeoffice machen und sich schlimmstenfalls 24 Stunden am Tag nicht aus dem Weg gehen können.

Auch wenn man aktuell in der Praxis noch keinen Anstieg der Anzahl von Fällen häuslicher Gewalt feststellen kann, so ist es für die Betroffenen doch wichtig, zu wissen, dass die aktuelle Zeit keinen rechtsfreien Raum darstellt. Auch wenn Gerichte aktuell die meisten Gerichtstermine absagen, was auch für die Familiengerichte zutrifft, so kann doch davon ausgegangen werden, dass in Verfahren von häuslicher Gewalt nach wie vor zügig gearbeitet wird. Dies liegt insbesondere auch daran, dass bei Eilanträgen wegen häuslicher Gewalt zumeist zügig im schriftlichen Verfahren entschieden wird. Anhörungen beim Gericht finden nur in unklaren Fällen oder nach der Entscheidung auf Antrag eines Betroffenen statt.

Das sogenannte Gewaltschutzgesetz, aber auch bei Eheleuten der § 1361b BGB, bilden die Grundlage dafür, dass bei Gewaltvorfällen in der gemeinsamen Wohnung der „Täter“ oder die „Täterin“ der Wohnung verwiesen werden können.

Insbesondere der § 1361a BGB stellt klar, dass bei Ehegatten bereits eine unbillige Härte genügt, um einen Ehegatten der Wohnung zu verweisen. Eine unbillige Härte kann auch schon bei sehr schweren Beleidigungen vorliegen. Zum Schutz von minderjährigen Kindern in der Wohnung kann eine unbillige Härte auch dann vorliegen, wenn das Wohl dieser Kinder beeinträchtigt ist.

Das Gewaltschutzgesetz greift dagegen aber auch bei nicht ehelichen Paaren und sogar zwischen Eltern und volljährigen Kindern oder auch schlichten Mitbewohnern einer Wohnung.

Wichtig: Es muss nicht darauf gewartet werden, dass es zur Gewalt kommt. Androhungen von Gewaltanwendung genügen bereits.

Gernot Wolter
(Fachanwalt für Familienrecht)

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Ausschlussfristen: Fehlende Ausnahme von Mindestlohnansprüchen in Altverträgen – BAG schafft Rechtssicherheit

Ausschluss- bzw. Verfallfristen stellen insbesondere für Arbeitgeber ein wichtiges Mittel dar um zeitnah Rechtssicherheit über streitige Ansprüche zu schaffen.
Haben Sie in Ihrem Musterarbeitsvertrag keine wirksamen Verfallfristen, so hilft Ihnen nur noch die Verjährung, die jedoch frühestens nach 3 Jahren eintritt. Um die besondere Bedeutung einer wirksamen Verfallfrist noch einmal deutlich zu machen hier ein Beispiel aus einem Fall, den ich jüngst vor dem Arbeitsgericht zu verhandeln hatte:

In diesem Fall machte ein Arbeitnehmer rückwirkend für 3 Jahre die Vergütung von Überstunden in Höhe von insgesamt ca. 31.000,— € geltend. Hätte der Arbeitsvertrag eine wirksame Ausschlussfrist enthalten (was leider nicht der Fall) war, hätte der Arbeitnehmer nur ca. 2.000 € geltend machen können und der Arbeitgeber hätte erheblich weniger zahlen müssen.
Enthalten aktuelle Arbeitsverträge in den Verfallfristen keine Ausnahme für Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz, so ist die Klausel insgesamt unwirksam.

Bislang nicht durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden war allerdings der Fall, dass Verträge, die vor Inkrafttreten des MiLoG geschlossen wurden, Auschlussfristen ohne Ausnahme für Ansprüche nach dem MiLoG enthielten. Einen solchen Fall hatte nun dass BAG zu entscheiden (Urteil vom 24.09.2019 9 AZR 273/18).

Der Fall

Die Parteien streiten über die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für das Jahr 2015.
Der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber seit dem 6. März 1997 als Techniker beschäftigt. Im „Anstellungsvertrag“ vom 6. März 1997 heißt es unter anderem:
„Auschlussfrist
Die Parteien vereinbaren, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten nach Fälligkeit verfallen. Der Verfall tritt nicht ein, wenn solche Ansprüche innerhalb dieses Zeitraumes schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden.“

Am 03.08.16 machte der Arbeitnehmer die Zahlung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld für 2015 außergerichtlich geltend.
Nachdem der Arbeitgeber nicht gezahlt hatte, erhob der Arbeitnehmer Klage. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Arbeitnehmer mit seiner Revision zum BAG.

Die Entscheidung

Das BAG hat sich den Vorinstanzen angeschlossen und die Zahlungsklage abgewiesen.
Aus Sicht des Gerichtes war das Urlaubsgeld am 01.06.15, das Weihnachtsgeld am 01.12.2015 fällig. Da beide Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wurden sind Sie verfallen.

Aus Sicht des BAG ist die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist auch wirksam.
Zunächst weist das Gericht darauf hin, dass eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender (Arbeitgeber) ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, und die geeignet ist, dessen Vertragspartner (Arbeitnehmer) von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten, den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, weil eine solche Klausel nicht transparent sei.
Im vorliegenden Fall ist es so, dass die Klausel zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages die Rechtslage richtig wiedergab. Zwar machte die Verfallfrist keine Ausnahme für Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz, allerdings gab es das Gesetz bei Abschluss des Vertrages auch noch nicht.

Stellt man allerdings auf den Zeitpunkt ab, zu dem vorliegend das Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld fällig wurden (2015), so gab die Klausel zu diesem Zeitpunkt die Rechtslage sehr wohl falsch wieder (MiLoG war schon in Kraft).

Auf welchen Zeitpunkt kommt es also an?

Das BAG vertritt hier die Ansicht, dass eine Klausel, die bei Vertragsschluss transparent ist nicht ihre Wirksamkeit dadurch verliert, dass spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen.

Hiervon ausgehend führt es – so dass BAG – im vorliegenden Fall nicht zur Intransparenz, sondern lediglich zur Teilunwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom 6. März 1997 vereinbarten Ausschlussfristenregelung, dass diese entgegen § 3 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst.

Der Praxistipp

Eine gute Entscheidung des BAG, die in einer ganzen Reihe von Fällen Arbeitgebern hilft. Man sollte sich allerdings nicht zu stark auf dieses Urteil verlasen, zumindest dann nicht, wenn am Arbeitsvertrag nach Inkrafttreten des MiLoG Änderungen vorgenommen wurden.

In einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass das BAG den geänderten Vertrag als technisch neuen Vertrag ansieht und dann die Verfallfrist eines Altvertrages als unwirksam einstuft.
Wenn Sie Zweifel haben, ob die Ausschlussfrist in Ihrem Vertrag wirksam ist, kommen Sie gerne auf mich zu (as@scharf-und-wolter.de). Wir überprüfen im Rahmen des Arbeitsrecht Hamburg die Wirksamkeit kostenlos und machen Ihnen bei Bedarf ein Angebot zur Überarbeitung Ihres Vertrages.

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Gilt das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot auch bei einer Kündigung vor Dienstantritt?

Nachdem wir Ihnen in der vergangenen Woche eine Entscheidung zu den Voraussetzungen einer Kündigung während der Elternzeit vorgestellt haben, möchten wir Ihnen heute einen aktuellen Fall vorstellen, in dem es um die Grenzen des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots geht.

Der Hintergrund

Gemäß § 17 Absatz 1 Nr. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig.

Das LAG Hessen, Urteil vom 13.06.2019, 5 Sa 751/18, zitiert nach juris, hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dieses Kündigungsverbot auch eine Kündigung erfasst, die nach Arbeitsvertragsschluss, aber noch vor Dienstantritt ausgesprochen worden ist.

Der zugrunde liegende Sachverhalt

Der Beklagte betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei. Er beschäftigt in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer/innen.

Im Dezember 2017 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag über eine Teilzeittätigkeit der Klägerin als Rechtsanwaltsfachangestellte.
Das Arbeitsverhältnis sollte am 01.02.2018 mit einer sechsmonatigen Probezeit beginnen, während derer beiderseitig mit einer Frist von zwei Wochen hätte gekündigt werden können. Ferner verpflichtete sich die Klägerin, im Falle einer schuldhaften Nichtaufnahme oder vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit eine Vertragsstrafe in Höhe eines Gesamtmonatseinkommens zu zahlen.
Mit Schreiben vom 18.01.2018 setzte die Klägerin den Beklagten über die Feststellung ihrer Schwangerschaft in Kenntnis und unterrichtete ihn darüber, dass aufgrund einer chronischen Vorerkrankung „mit sofortiger Wirkung ein komplettes Beschäftigungsverbot“ attestiert worden sei. Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 30.01.2018 das Arbeitsverhältnis zum 14.02.2018.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Kassel hat der Klage stattgegeben. Das LAG Hessen hatte nunmehr über die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zu entscheiden.

Die Entscheidung
Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Die Kündigung des Beklagten vor Dienstantritt war zwar vertraglich nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich könne ein Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Dienstantritt nur dann nicht gekündigt werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben oder sich der Ausschluss der Kündigung aus den Umständen zweifelsfrei ergebe. Eine – wie im Streitfall – vereinbarte Vertragsstrafenregelung für den Fall der Nichtaufnahme der Arbeit genüge für diese Annahme jedenfalls dann nicht, wenn die Parteien eine Probezeit mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist vereinbart haben.

Die Kündigung sei aber gem. § 134 BGB nichtig, da sie mangels behördlicher Zustimmung gem. § 17 Abs. 2 MuSchG gegen das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG verstoße.
Die Klägerin falle unter den Geltungsbereich des § 1 MuSchG. Das von § 1 Abs. 2 MuSchG vorausgesetzte Arbeitsverhältnis beginne mit dem wirksamen Abschluss des Arbeitsvertrages und nicht erst mit dem vertraglich vereinbarten Termin für die Invollzugsetzung oder durch die tatsächliche Arbeitsaufnahme.

Nach § 1 Abs. 2, 4 MuSchG gilt das Gesetz für schwangere Frauen „in einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch“. Der Verweis auf den sozialrechtlichen Begriff schaffe – insbesondere für die Schutznorm des § 17 MuSchG – nicht die Notwendigkeit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern solle – so das Gericht – den erweiterten unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff aufnehmen.

Der Wortlaut lasse jedoch beide Auslegungen zu. Das „Arbeitsverhältnis“ stelle die rechtliche Beziehung dar, während „die nichtselbständige Arbeit“ etwas Faktisches sei.
Die Auslegung ergebe jedoch, dass es nicht auf die faktische Invollzugsetzung bzw. tatsächliche Beschäftigung ankomme. Hierfür sprächen zunächst die Schutzzwecke des Mutterschutzgesetzes (Sicherung der Teilhabe am Erwerbsleben, Diskriminierungsvermeidung und Gesundheitsschutz). Auch der Schutzauftrag des Grundgesetzes im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 GG gebiete, dass Schwangere nicht ohne wirksamen Kündigungsschutz bleiben dürfen.

Das Wichtigste

Das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 MuSchG gilt – so das LAG Hessen – auch bei einer Kündigung, die nach Arbeitsvertragsschluss, aber vor dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen worden ist.
Die Entscheidung betont den weiten Umfang des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes.
Auch im vorliegenden Fall hätte die Arbeitgeberseite somit zunächst die Zulassung der Kündigung bei der gem. § 17 Abs. 2 MuSchG zuständigen Arbeitsschutzbehörde beantragen müssen.

Ausblick

Da zur im Streit stehenden entscheidungserheblichen Rechtsfrage bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, hat das LAG Hessen die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich von Beklagtenseite eingelegt worden ist. Wir werden Sie über den Ausgang des Revisionsverfahrens informieren.
Bei Fragen und Anmerkungen in diesem Zusammenhang und zum Arbeitsrecht Hamburg im allgemeinen sprechen Sie mich gerne an (jb@scharf-und-wolter.de).